Transparenz bei Nebenverdiensten schaffen
Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FDP.
Transparenzregelungen zur Offenlegung von Nebenverdiensten von Abgeordneten sind ein wichtiges Instrument zur Legitimierung der Wahrnehmung von Amt und Beruf von Abgeordneten. Gleichzeitig unterliegt dieses Instrument engen Grenzen mit den im Grundgesetz festgelegten Regelungen zur Freiheit des Abgeordnetenmandats. Grundsätzlich schreibt Artikel 48 Abs. 2 Satz 1 GG vor, dass niemand an der Ausübung eines Abgeordnetenmandats gehindert werden darf. Im Rückschluss bedeutet dies auch, dass die Wahrnehmung eines Abgeordnetenmandats die Mandatsträger nicht daran hindern darf, Mandat und Beruf nebeneinander auszuüben. Das entspricht der herrschenden Meinung der Auslegung des Grundgesetzes. Für die Bremische Bürgerschaft als Halbtags-Parlament müssen diese Regeln daher in besonderem Maße gelten.
Dem Grundgesetz entsprechend sind somit Regelungen, aus denen Hindernisse für die gleichzeitige Wahrnehmung von Abgeordnetenmandat und Beruf erwachsen, verfassungswidrig. Dies schließt insbesondere Regelungen ein, bei denen Mandatsträger zur Veröffentlichung exakter Vergütungen aus nicht-selbständigen oder selbständigen Tätigkeiten verpflichtet werden. Damit wird der im Grundgesetz garantierten Freiheit der Abgeordneten die höhere Bedeutung zugemessen als Transparenzzielen. Eingriffe in die Freiheit des Mandats mit dem berechtigten Interesse an der Funktionsfähigkeit des Parlaments können nur in begrenztem Maße vorgenommen werden. Hierbei ist unter Beachtung von Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG eine hinreichende rechtsstaatliche Sicherung der Abgeordneten durch entsprechende Ausführungsbestimmungen von Nöten.
Verpflichtungen, jede einzelne Vertragsbeziehung und jeden einzelnen Vertragspartner aus einer laufenden beruflichen Tätigkeit mitzuteilen, greifen bereits weit in die Freiheit des Abgeordnetenmandats ein. Daher ist es verfassungsrechtlich geboten den Bestimmungen des Grundgesetzes und damit dem Schutz der Freiheit des Abgeordnetenmandats Vorrang vor Transparenzzielen einzuräumen. Diesem wird, nach gängiger Rechtsprechung, in Form eines Stufenmodells Rechnung getragen. Hierbei werden die einzeln aufgeschlüsselten Einkünfte entsprechend der in den Verhaltensregelungen für Abgeordnete festgelegten Stufen angegeben.
Diese Verfahrensweise ermöglicht es, sowohl den berechtigten Wunsch nach einer höheren Transparenz als auch der im Grundgesetz festgelegten Freiheit des Abgeordnetenmandats Rechnung zu tragen. Um dem Zeugnisverweigerungsrecht einzelner Berufsgruppen und gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflichten entsprechen zu können, muss zusätzlich anstelle der Veröffentlichung des Namens und Sitzes des Vertragspartners eine anonymisierte Form der Veröffentlichung gewählt werden.
Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Verhaltensregeln für Abgeordnete gemäß Anlage 1 zur Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft (18. Wahlperiode) in der Fassung des Übernahmebeschlusses vom 1. Juli 2015 GO der Bürgerschaft, werden wie folgt neu gefasst:
„Die folgenden Verhaltensregeln werden Bestandteil (Anlage) der Geschäftsordnung:
I. Die Abgeordneten haben zur Veröffentlichung auf der Internetseite der Bremischen Bürgerschaft und Aufnahme in das Handbuch der Bürgerschaft folgendes anzugeben:
1. Die gegenwärtig ausgeübten Berufe und zwar
a. Unselbständige Tätigkeit unter Angabe des Arbeitgebers (mit Branche), der eigenen Funktion bzw. dienstlichen Stellung,
b. Selbständige Gewerbetreibende: Art des Gewerbes und Angabe der Firma,
c. Freie Berufe, sonstige selbständige Berufe: Angabe des Berufszweiges,
d. Angabe des Schwerpunktes der beruflichen Tätigkeit bei mehreren Berufen.
2. Vergütete und ehrenamtliche Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, sonstigen Organs oder Beirats einer Gesellschaft, Genossenschaft, eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens sowie einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts einschließlich der bei diesen Unternehmen und Körperschaften bestehenden Mitarbeitervertretungen.
3. Vergütete und ehrenamtliche Funktionen in Berufsverbänden, Wirtschaftsvereinigungen, sonstigen Interessenverbänden oder ähnlichen Organisationen,
4. Vergütete oder ehrenamtliche Funktionen in Organen von Vereinen und Verbänden, soweit diese nicht unter Nummer 2 und 3 fallen,
5. entgeltliche Tätigkeiten der Beratung, Vertretung fremder Interessen, Erstattung von Gutachten, publizistische und Vortragstätigkeit und sonstiger Dienst- und Werkleistungen für Organisationen nach Nummer 4 soweit diese Tätigkeiten nicht im Rahmen des ausgeübten Berufes liegen,
6. Zuwendungen und Vergünstigungen, die ein Abgeordneter für seine politische Tätigkeit persönlich erhalten hat oder
7. Beteiligungen an gewerblichen Unternehmen, bei Aktiengesellschaften sofern der Nennbetrag der Aktien mehr als 1 vom Hundert des Grundkapitals aus- macht.
II. Die Abgeordneten haben dem Präsidenten unverzüglich steuerpflichtige Einnahmen aus Tätigkeiten gemäß Absatz 1 Nummer 2, soweit die Wahl oder Bestellung auf Beschluss des Senates oder der Bürgerschaft erfolgt, Tätigkeiten gemäß Absatz 1 Nummer 3, 4, 5 und 6 anzuzeigen.
- Der Präsident ist über die Auskünfte der Abgeordneten bezüglich ihrer steuerpflichtigen Einnahmen zu Verschwiegenheit verpflichtet.
2. Anzeigepflichtig sind hierbei:
a. der steuerpflichtige Betrag,
b. der Name des Leistenden,
c. der Vergütungsgrund entsprechend Absatz 1 und d. der Zeitpunkt der Zahlung.
III. Die Angaben gemäß Absatz 2 Nummer 2 werden auf der Internetseite der Bremischen Bürgerschaft veröffentlicht, wobei die nach Absatz 2 Nummer 2a angezeigten steuerpflichtigen Beträge in Stufen einzuordnen sind.
1. Die Einkünfte werden der entsprechenden Stufe zugeordnet, sofern der Höchstbetrag der vorhergehenden Stufe überschritten wurde. Die Stufen sind wie folgt gegliedert:
a. Stufe 1 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 1.000 Euro,
b. Stufe 2 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 2.500 Euro,
c. Stufe 3 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 5.000 Euro,
d. Stufe 4 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 10.000 Euro,
e. Stufe 5 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 20.000 Euro,
f. Stufe 6 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 40.000 Euro,
g. Stufe 7 erfasst anzeigepflichtige jährliche Einkünfte bis 60.000 Euro,
h. bei allen folgenden Stufen, deren Nummerierung sich fortlaufend erhöht, werden jeweils 30.000 € zum Höchstbetrag der vorhergehenden Stufe addiert.
2. Bei gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrechten und gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflichten darf anstelle der in Absatz 2 Nummer 2b und 2c vorgesehenen Anzeigepflicht nur eine anonymisierte Form der Veröffentlichung ohne Nennung des Vertragspartners und des Vergütungsgrunds erfolgen.
3. Werden innerhalb eines Kalenderjahres regelmäßige Einkünfte nach Absatz 1 Nummer 2, 3, 4, 5 und 6 angezeigt, wird die Einkommensstufe bzw. der Be- trag mit der Angabe „monatlich“, für regelmäßige monatliche Einkünfte oder „jährlich“, für regelmäßige jährliche Einkünfte, veröffentlicht.
4. Werden innerhalb eines Kalenderjahres unregelmäßige Einkünfte nach Absatz 1 Nummer 2, 3, 4, 5 und 6 angezeigt, wird die Einkommensstufe bzw. der Betrag mit Angabe des Monatsnamens veröffentlicht.
5. Auf Wunsch der Abgeordneten kann aufgenommen werden, dass Beträge aus diesen Einnahmen ganz oder teilweise an gemeinnützige Organisationen oder an Parteien abgeführt wurden
6. Die Eintragungen gemäß Absatz 3 Nummer 1, 2, 3, 4 und 5 werden mit Ablauf des auf das Zuflussjahr folgenden Kalenderjahrs gelöscht.
IV. In beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten sind Hinweise auf die Mitgliedschaft in der Bremischen Bürgerschaft zu unterlassen.
V. In Zweifelsfragen ist der Abgeordnete verpflichtet sich durch Rückfragen beim Präsidenten, beziehungsweise beim Vorstand über die Auslegung der Bestimmungen zu vergewissern.
VI. Hält der Präsident einen Vorstoß gegen diese Verhaltensregeln für möglich, so befragt er die Abgeordnete oder den Abgeordneten. Wird der Vorwurf erhoben, dass eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter gegen diese Verhaltensregeln verstoßen hat, so hat der Vorstand den Sachverhalt aufzuklären und die betroffene Abgeordnete oder den betroffenen Abgeordneten anzuhören. Ergeben sich Anhaltspunkte für einen Verstoß, so hat der Vorstand der Fraktion, der die betreffende Abgeordnete oder der betreffende Abgeordnete angehört, Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben. Der Vorstand der Bürgerschaft kann das Ergebnis der Bürgerschaft in geeigneter Form mitteilen. Auf Verlangen der oder des betroffenen Abgeordneten hat der Vorstand die Bürgerschaft über das Ergebnis der Prüfung zu unterrichten. Ist kein Verstoß festgestellt worden, so bedarf die Unterrichtung der Bürgerschaft über die erfolgte Prüfung der Zustimmung der betroffenen Abgeordneten oder des betroffenen Abgeordneten.
Dr. Magnus Buhlert, Lencke Steiner und die Fraktion der FDP