Sind die Daten zum Unterrichtsausfall im Land Bremen tatsächlich belastbar?

Kleine Anfrage der Fraktion der FDP.

Zuletzt berichtete der Weser Kurier am 4. April 2022 unter der Überschrift „Eltern kritisieren Stundenausfälle, Behörde legt Zahlen vor“ über den Stundenausfall an Bremer Schulen. Dabei fällt auch in diesem Bericht auf, dass die Wahrnehmung zur Häufigkeit von Stundenausfall auf Seiten der Schülerinnen und Schüler sowie ihrer Eltern deutlich von den offiziellen Zahlen abweicht, die die Senatorin für Kinder und Bildung zuletzt im Januar 2022 vorgelegt hat. Demnach seien an Grundschulen nur 1,3% aller Stunden tatsächlich ausgefallen, an Oberschulen waren es 4,7%, an Gymnasien 4,5%. An allen allgemeinbildenden Schulen liegt die Anzahl der ausgefallenen Stunden bei 3,5%. 

Die Kluft zwischen Elternwahrnehmung und behördlicher Statistik ist nicht neu. Die Sprecherin der Leitungen von Gymnasien erklärt diese mit einigen Eigenheiten der Statistik. So werden nur Stunden berechnet, die wirklich ausgefallen sind und nicht vertreten wurden. Außerdem zähle die Mitbetreuung eigentlich verwaister Klassen durch Lehrkräfte aus dem Nebenraum nicht als Ausfall. Wenn Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II Arbeitsaufträge erhalten oder im sog. angeleiteten Selbststudium lernen sollen, finden die ausgefallenen Stunden ebenfalls keinen Niederschlag in der Statistik.

Mit Blick auf die zu verbessernde Bildungsqualität im Land Bremen erscheint der aufgezeigte Widerspruch bedenklich. Häufen sich Stunden in einzelnen Jahrgängen, die nur durch die Lehrkraft im Nebenraum beaufsichtigt werden oder werden Fächer über einen längeren Zeitraum nur fachfremd vertreten, leidet langfristig das Bildungsangebot für die Schülerinnen und Schüler. Sinnvolle Abhilfe aber kann nur geschaffen werden, wenn tatsächlich ein realistisches Bild der Verlässlichkeit des Unterrichtsgeschehens an einzelnen Standorten bis hin zu einzelnen Klassen an diesen gezeichnet werden kann.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 

  1. Sind die Daten zur Erhebung des realen Unterrichtsausfalls im Land Bremen belastbar und bilden das Unterrichtsgeschehen im Land realistisch ab – wenn ja, warum, wenn nein, welche Parameter der Erfassung müssen geändert werden und wann geschieht das?
  2. Welche Formen des Ersatzes vom Regelunterricht werden erfasst, wie werden diese benannt und wie und wo sind sie definiert?
  3. Sind die bislang erhobenen Daten im Hinblick auf die Planung und Steuerung der Bildungsadministration sinnvoll anwendbar oder wo ergeben sich Erfassungslücken, die eine Planung erschweren und letztlich zu mehr Ausfall führen?
  4. Wie und wo ist geregelt, was die Schulen als Ausfall deklarieren und wie wird überprüft, dass dies tatsächlich geschieht?
  5. In welcher Form werden dauerhaft fehlende Lehrerstunden, verursacht durch Personalmangel, im Stundenplan abgebildet und an den Schulen erfasst?
  6. Welche Quoten an Ausfall-, fachfremden Vertretungs- und angeleiteten Selbstlernstunden pro Schule, Jahrgang und Fach sind für die Senatorin für Kinder und Bildung pro Schuljahr tolerabel, wann wird ein kritischer Wert überschritten und wodurch ist dieser definiert?
  7. Ist die Erhebung und Weiterleitung der Daten mit einem vertretbaren Aufwand für die Schule und die Schulaufsicht durchführbar, in welchen Zeitabständen erflogt diese und wie kurzfristig zeichnet sich ab, dass der Ausfall an einzelnen Schulen und in einzelnen Jahrgängen über einem tolerablen Mittelwert liegt?
  8. Häufig werden Stunden mit Selbstlernzeit o.ä. deklariert, wenn sie nicht durch eine/n (Fach)-Lehrerin/Lehrer vertreten werden – finden diese Stunden in einer differenzierten Ausfallstatistik Berücksichtigung, wenn ja, in welcher Form, wenn nicht, warum nicht?
  9. Wie und wo ist Selbstlernzeit im Schulalltag definiert und wird unterschieden, wenn sie als Ausfallersatz oder geplant als Form der Wissenserarbeitung im Alltag angeboten wird?
  10. Ist in der Selbstlernzeit in jeder Klassenstufe eine Lehrerin/ein Lehrer als Ansprechpartner anwesend, der die Qualität der Selbstlernzeit überprüft und sicherstellt und was definiert eine angeleitete Selbstlernzeit?
  11. Wie häufig können Stunden als Selbstlernzeitstunden vertreten werden, ohne dass nach Auffassung der Senatorin für Kinder und Bildung die Qualität nachhaltig leidet?
  12. Wird ergänzend zur Statistik über Unterrichtsausfall auch einzeln ausgewiesen, wieviel Unterricht krankheitsbedingt entfällt und ist eine solche ergänzende Unterscheidung für die Planung sinnvoll und notwendig – wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht?
  13. Welche Schulformen und wie viele Schulen werden zur Erhebung des Unterrichtsausfalls im Land herangezogen und warum ist, sollte es eine Auswahl geben, diese repräsentativ?
  14. Wie ist die Rechenschaftspflicht der Schulen gegenüber der hauseigenen Schulkonferenz in Bezug auf valide Daten zum Thema Unterrichtsausfall/Vertretung definiert und welche standardisierten Vorgaben könnten die Rechenschaftsfunktion stärken und damit langfristig der Qualitätssicherung dienen?
  15. In welchen Konzepten zur Vermeidung von Unterrichtsausfall werden die Schulen unterstützt?
  16. Gibt es Anreize, Gütesiegel oder Zertifizierungsprozesse für Schulen, um die Motivation und Zufriedenheit unter den Lehrerinnen und Lehrern zu steigern und damit etwa krankheitsbedingtem Unterrichtsfall vorzubeugen, im besten Fall langfristig zu minimieren – wenn ja, welche sind es und welche Schulen beteiligen sich, wenn nein, warum nicht?