Lebenslanges Lernen als Berufsqualifizierung: Wird die Fort- und Weiterbildungsstruktur im Land Bremen dem Anspruch guter Bildungsqualität gerecht?

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

Die Qualität von Schule und die Entwicklung von Schülerinnen und Schüler ist eng an die Qualität der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrer gebunden. Die Lehrerbildung und deren Qualität rückt deshalb vermehrt in den Fokus der öffentlichen, bildungspolitischen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Ihre Erst- und Zweitqualifikation an Hochschulen (Universitäten und Pädagogischen Hochschulen) sowie durch das Referendariat bzw. den Vorbereitungsdienst an den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung sowie an Pädagogischen Fachseminaren nimmt berufsbiografisch gesehen nur einen geringen Zeitraum ein. Der überwiegende Teil einer pädagogischen Arbeitsbiografie entfällt auf die Berufstätigkeit in der Schule selbst. In dieser Zeit erfolgt die konstante berufslebenslange Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern allein über Fortbildungen. Diese Fortbildungen übernehmen damit in der Absicherung und Steigerung der Bildungsqualität eine zentrale Funktion. Diese Rolle betonte im Jahr 2000 auch die Kultusministerkonferenz und misst der Fort- und Weiterbildung als dritter Qualifizierungsphase die zentrale Aufgabe für die lebenslange Entwicklung der beruflichen Rolle zu. 

In der einschlägigen Forschung ist die Bedeutung der Lehrerfort- und -weiterbildung im Gesamtkontext der Lehrerbildung spätestens seit den Untersuchungen zum sog. Praxisschock bekannt. So gilt die Berufseinstiegsphase in der Berufsbiographie von Lehrerinnen und Lehrern als kritisch. Vor diesem Hintergrund sind passgenaue Fort- und Weiterbildungen und eine enge Begleitung der Berufseinsteigenden für einen gelungenen Einstieg in den ersten Dienstjahren zentral. Und auch darüber hinaus ist inzwischen unbestritten, dass zwar die grundlegende Ausbildung, Qualifizierung und Zertifizierung von Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland im Rahmen eines Hochschulstudiums (erste Phase) und des Vorbereitungsdienstes (zweite Phase) erfolgt, die Notwendigkeit fortwährenden Lernens jedoch mit der gesamten Berufsbiographie verknüpft ist. Nur mit einem kontinuierlichen Prozess der Professionalisierung kann den sich stets wandelnden Herausforderungen des Berufsalltag begegnet werden. Die Forschungen zur Phase der Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern sind im Vergleich zu den anderen Phasen der Ausbildung nicht sehr umfassend. Einigkeit besteht aber darin, dass Fort- und Weiterbildungsangeboten ein zentraler Stellenwert im Rahmen der Professionalisierung von Pädagogen zukommt, vor allem mit Blick auf die Unterrichtsqualität.

In Bremen regelt die Verordnung über die Fortbildung der Lehrkräfte und Lehrer in besonderer Funktion an öffentlichen Schulen (Lehrerfortbildungsverordnung) etwa den Zweck, den zeitlichen Umfang sowie die Fortbildungsformen und -planung. Das Fortbildungsangebot halten in Bremen das Landesinstitut für Schule (LiS) und in Bremerhaven das Lehrerfortbildungsinstitut Bremerhaven (LFI) bereit. 

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 

  1. Die Lehrerfortbildungsverordnung gibt in § 3 einen jährlichen Umfang von 30 Stunden Fortbildung für Vollzeitkräfte und entsprechend anteilig bei Teilzeitkräften vor – wie viele der im Land beschäftigten Lehrerinnen und Lehrer haben sich in den Jahren zwischen 2015-2020 in dem vorgeschriebenen Umfang fort- und weitergebildet und wie viele schreiben den Fortbildungsumfang komplett oder in Anteilen im kommenden Schuljahr fort?
  2. Gibt es Situationen und begründete Ausnahmen, weshalb die Fortbildungen nicht im geforderten Umfang abgeleistet werden müssen?
    1. Wie oft können diese Begründungen in Folge geltend gemacht werden und müssen diese jeweils bis zum Ablauf einer Frist aufgeholt werden?
    2. Wenn ja, wer erteilt die Ausnahmegenehmigungen und wo werden die Informationen über diesen Bewilligungsprozess vorgehalten?
  3. Wenn ja, wer erteilt die Ausnahmegenehmigungen und wo werden die Informationen über diesen Bewilligungsprozess vorgehalten?
  4. Wie viele dieser Ausnahmegenehmigungen wurden in den letzten fünf Jahren erteilt und wie viele Stunden Fortbildung sind dadurch entfallen?
  5. Welche Konsequenzen ergeben sich, nehmen Lehrerinnen und Lehrer nicht im geforderten Umfang an Fortbildungen teil und von wem wird die Teilnahme in welchem Rhythmus kontrolliert?
  6. Inwieweit werden die von den Lehrerinnen und Lehrern besuchten Fortbildungen wo dokumentiert?
  7. Wie hoch ist jeweils der Anteil der angebotenen Fortbildungen, die einerseits eine fachspezifisch inhaltlich-pädagogische Ausrichtung verfolgen oder andererseits auf eine allgemeine Qualifizierung (Teamwork, Kommunikation, Erste Hilfe, Mobbing, Gewalt, Konfliktlösung etc.) abzielen? 
  8. Welche selbstgewählten inhaltlichen Fortbildungsschwerpunkte verfolgen jeweils das LiS und das LFI, und welche Schwerpunktwandel sind für die Zukunft zu erwarten?
  9. Wie und wie oft werden die jährlich von den Schulleitungen zu erstellenden Fortbildungsprogramme mit der Senatorischen Behörde für Kinder und Bildung bzw. dem Schulamt Bremerhaven abgestimmt, von dieser ob ihrer Vollständigkeit und der tatsächlichen Bedarfe an den Schulen bewertet sowie deren tatsächliche Umsetzung überprüft?
  10. Wie wird eine Schulleiterin oder ein Schulleiter für die Erstellung eines schulischen Fortbildungsprogramms qualifiziert und wie viele Schulleiterinnen und Schulleiter haben nachweislich eine solche Qualifizierung?
  11. Wie wird von der Senatorischen Behörde für Kinder und Bildung sichergestellt, dass die an LiS und LFI angebotenen Fortbildungen tatsächlich zu den Schulentwicklungsprozessen und den damit verbundenen schulinternen Fortbildungsprozessen passen?
  12. Gibt es Fortbildungsangebote, die unmittelbar an schulart- oder quartierspezifische Herausforderungen angepasst sind und werden die jeweiligen Schulleitungen über diese informiert?
  13. Welche gezielten Fort- und Weiterbildungsprogramme stehen den Berufseinsteigerinnen und -einsteiger offen, in den sie in ihren ersten Dienstjahren eng begleitet werden, um einen gelungenen Einstieg in den Beruf abzusichern?
  14. Welche gezielten Qualifizierungsangebote stehen Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern offen bzw. sind für diese verpflichtend und in welcher Phase des Berufseinstiegs greifen diese?
  15. Inwiefern gibt es im Land Bremen Strukturen, um für Lehrkräfte nach ihrem Referendariat Anreize zu gegenseitigem Lernen zu geben, z. B. über gegenseitige Hospitationen?
  16. Wie sieht der Bewertungsprozess zu den individuellen Fortbildungsbedarfen einzelner Lehrerinnen und Lehrer aus und wer bewertet, wo eine Lehrerin, ein Lehrer tatsächlich Fortbildungsbedarfe hat und inwiefern gibt es ein Beratungsangebot an Lehrkräfte, um Fortbildungsbedarfe für sich zu identifizieren?
  17. Wie gestaltet sich der Prozess, in dem Fortbildungsbedarfe des gesamten Teams und individuelle Fortbildungsbedarfe Einzelner aufeinander abgestimmt werden?
  18. Wer bewertet und koordiniert den Fortbildungsbedarf der einzelnen Lehrerin oder des einzelnen Lehrers und wie wird diese Einschätzung mit den persönlich geäußerten Fortbildungsbedarfen koordiniert, welche Metriken werden dabei zur Bewertung generiert und wie haben sich diese in den letzten Jahren entwickelt?
  19. Wer bewertet und koordiniert den Fortbildungsbedarf des Leitungsteams und wie wird diese Einschätzung mit den persönlich geäußerten Fortbildungsbedarfen koordiniert und dokumentiert?
  20. In welchem Prozess und durch wen werden sowohl persönliche als auch institutionelle Fortbildungsbedarfe identifiziert, die im Fortbildungsprogramm der Schulen Aufnahme finden?
  21. In welchem Prozess und durch wen stellt die Behörde sicher, dass die Fortbildungsprogramme der Schulen bedarfskonform erstellt werden?
  22. Welcher Fortbildungsbedarf (Umfang in Stunden) fällt an den Schulen des Landes Bremen an und kann dieser durch die Kapazitäten von LiS und LFI abgedeckt werden?
  23. Inwiefern gibt es im Land Bremen Angebote und Möglichkeiten für eine berufsbegleitende professionelle Supervision und in welchem Umfang werden sie angeboten bzw. eingefordert?
  24. Gibt es externen Akteure z. B. politisch-weltanschauliche Stiftungen, kommerzielle Anbieter, Träger der politischen Bildung, Hochschulen etc. für Fortbildungen,
    1. wenn ja, welche Anbieter haben in den letzten fünf Jahren Fortbildungen angeboten und wie und nach welchen Kriterien erfolgt deren Auswahl und Kontrolle?
    2. wenn nein, warum nicht?
    3. wenn ja, wie werden diese jeweils genutzt?
  25. Inwieweit ist es für Lehrerinnen und Lehrer im Land Bremen möglich und welche Anreize gibt, um Praktika und Fortbildungen außerhalb des unmittelbaren Schu- und Lehrbereichs zu absolvieren, z. B. in Unternehmen, um fachliche Perspektiven zu erweitern?
  26. Wie, durch wen und nach welchen Kriterien wird erhoben, dass die wahrgenommenen Fortbildungen tatsächlich im Sinne der Schulentwicklungsplanung von den einzelnen Lehrerinnen und Lehrern, aber auch der betroffenen Schule selbst als sinnvoll empfunden wurden und der formulierte Fortbildungsbedarf auch inhaltlich abgedeckt wurde und wie wird diese Bewertung den jeweiligen Anbietern rückgemeldet?
  27. International kann der individuell identifizierte Fortbildungsbedarf von Lehrerinnen und Lehrern auch durch persönlich ausgewählte Online-Angebote unterschiedlichster Anbieter gedeckt werden – steht auch Lehrerinnen und Lehrern im Land Bremen diese Möglichkeit offen, können die Lehrinnen und Lehrer individuelle Fortbildungen einbringen oder suchen sie diese aus einer Liste von Anbietern/Angeboten aus und wie erfolgt die Finanzierung?
    1. Wenn ja, wie erfolgt die Zertifizierung und Qualitätssicherung der Anbieter und in welchem Rhythmus wird diese erneuert?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  28. Wie werden die Lehrerinnen und Lehrer ggf. darüber informiert, dass sie eigene Fortbildungswünsche einbringen können und wie läuft der Genehmigungsprozess?
  29. Nach welchen Kriterien und durch wen werden die Weiterbildungsprogramme an LIS und LFI, aber auch der externen Anbieter bewertet – gibt es einen thematisch gebundenen Zulassungs- und Zertifizierungsprozess und/oder wird stichprobenartig die dauerhafte Qualitätssicherung überprüft?
  30. Wie und durch wen erfolgt die Qualifizierung der Mitarbeitenden am LiS und am LFI, sind auch sie einem Fortbildungsanspruch unterworfen und durch wen wird er überprüft?
  31. Welche Fortbildungsmaßnahmen stehen den Schulen in welchem Umfang offen, die unmittelbar und individuell in der einzelnen Schule angeboten werden, um die Entwicklungsarbeit vor Ort im Sinne einer Schulentwicklungsplanung gezielt zu unterstützen?
  32. Inwiefern haben die einzelnen Schulleitungen einen zusätzlichen Etat, um entsprechend ihres Schulentwicklungsprozesses Fortbildungsangebote für das gesamte Team oder einzelne Lehrerinnen und Lehrer zu organisieren,
    1. wenn ja, wie groß ist dieser?
    1. wenn nein, warum nicht?
  33. Inwiefern haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fortbildungsmaßnahme die Möglichkeit, in einem geregelten Prozess Feedback zu besuchten Fortbildungen zu geben und wie nimmt dieses Feedback Einfluss auf die zukünftige Gestaltung der entsprechenden Fortbildung?
  34. In welcher Form und zu welchen Themen werden die Lehrer-Fortbildungen seit 2015 jährlich angeboten (bitte ggf. tabellarisch aufzählen):
    1. Zu welchem Zeitpunkt (Schulzeit, unterrichtsfreie Zeit) finden diese Veranstaltungen statt?
    2. Wie viele Veranstaltungen finden als Tages-, wie viele als Mehrtages-Seminar statt?
    3. Wie viele Veranstaltungen fanden als Präsensseminar, wie viele als blended-learning und wie viele als reine online-Fortbildungen statt?
    4. Zu welchen Themen und Skills wurden seit 2015 Fortbildungen angeboten
    5. Zu welchen Schwerpunkten (z. B. Unterrichtsinhalte, Didaktik/Methodik, praktische-technische Kompetenzen/Medienkompetenz, organisatorische Fertigkeiten) werden Fortbildungen angeboten und wie ist jeweils die Nachfrage?
  35. Wie viele Unterrichtsstunden fallen aufgrund von Fortbildungsveranstaltungen aus (absolut und relativ zur Gesamtzahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden), d. h. auch wie viele Stunden werden aufgrund von Fortbildungen von der dafür regulär eingeplanten Lehrkraft nicht gegeben und wie viele Stunden können vor Ort von einer Fachlehrkraft und wie viele fachfremd vertreten werden?
  36. Welche Strategien werden in Bremen verfolgt, um eine zusätzliche Belastung des regelmäßigen Unterrichtsbetriebs durch Abwesenheit und Unterrichtsausfall von Lehrkräften zu minimieren bzw. auszuschließen, z. B. Verlegungen in die unterrichtsfreie Zeit, fest eingeplante Fortbildungstage für das gesamte Kollegium o. ä.?
  37. Welche Strategien gibt es, um Fortbildungen für Teilzeitkräfte zu ermöglichen, ohne diese überdurchschnittlich zu belasten?
  38. Welche Maßnahmen ergreift die Senatorische Behörde für Kinder und Bildung, die Motivation der Lehrenden, tatsächlich Fortbildungen zu besuchen, zu steigern und wie und nach welchen Kriterien bewertet sie den Erfolg dieser Maßnahmen?
  39. Wie ist das Fortbildungsangebot aus Sicht der Akteure aufgestellt und wo und durch wen sind Erweiterungs- bzw. Entwicklungsbedarfe des Angebots für die nahe Zukunft identifiziert worden oder bereits in Umsetzung?
  40. Sind die inhaltlichen Ausrichtungen des LiS und des LIF vergleichbar oder ergänzen sich die Angebote inhaltlich?
  41. Stehen die Fortbildungsangebote des LiS und des LIF jeweils für Lehrerinnen und Lehrer beider Stadtgemeinden offen, und wo sieht die Behörde noch Potential, die Zusammenarbeit von LiS und LIF zu verbessern?

    Schule und Digitalisierung
  42. Wie hoch ist der Anteil an Lehrerinnen und Lehrern, die bisher durch eine Fortbildung für die Benutzung der Lernplattform it`s-learning qualifiziert werden konnten und kann dieses Fortbildungsangebot von den Lehrerinnen und Lehrern optional angewählt werden oder ist es verpflichtend bzw. unter welchen Bedingungen kann eine Lehrerin/ein Lehrer auf den besuch dieser Fortbildung verzichten?
  43. Wie hoch ist der Anteil an Fortbildungen, die eine inhaltlich-fachspezifische Ausrichtung haben und dabei gleichzeitig einen eindeutigen Schwerpunkt auf den Einsatz digitaler Lernformate im Regel- und Hybridunterricht setzen?
  44. Welche internationalen Fortbildungsangebote stehen den Lehrerinnen und Lehrern aus Bremen und Bremerhaven für den Bereich des e-teaching offen, welche aktiven Kooperationen bestehen oder sind für die nahe Zukunft geplant?
  45. Entspricht die technische Ausstattung an LiS und LIF einem aktuellen, internationalem technischen Standard, um tatsächlich für die Lehre im 21. Jahrhundert qualifizieren zu können und welche technischen Anschaffungen werden hier im Kalenderjahr 2021 notwendig?
  46. Können technisches Equipment und Softwarelösungen am LiS bzw. LIF von den Schulen/Lehrerinnen und Lehrern erprobt und hinsichtlich eines möglichen Einsatzes im Unterricht geprüft werden?
  47. Welche Möglichkeiten bietet die im Land Bremen etablierte Plattform it`s-learning für den gesamten Bereich der Lehrerfortbildung? 
    1. Welche Potentiale werden dafür schon regelmäßig genutzt?
    2. Welche Potentiale können bisher noch nicht umfassend und regelmäßig genutzt werden?
    3. Welche weiteren online-Plattformen werden für Lehrer- und Lehrerinnenfortbildung genutzt?
    4. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sieht der Senat bei der Nutzung von digitalen Lernmöglichkeiten für die Lehrer- und Lehrerinnenfortbildung?