Kitaplätze in Gefahr: Werden die Träger frühkindlicher Bildungseinrichtungen in Bremen ungleich behandelt und verliert Bremen als Standort damit an Attraktivität?

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

Vor etwa zwei Jahren berichtete der Weser Kurier („Diese Träger organisieren die Betreuung“, 18.02.2020) über die Vielfalt der Träger in der Bremer Betreuungslandschaft. Der städtische Eigenbetrieb KiTa Bremen ist der größte Träger. Viele Kinder der Hansestadt erleben Gemeinschaft und frühkindliche Bildung außerdem in den Einrichtungen der Bremischen Evangelischen Kirche, einige katholische und freikirchliche Kitas runden das Bild der konfessionellen Träger ab. Die enormen Bedarfe, die seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung und Betreuung noch weiter angestiegen sind, decken außerdem die gemeinnützigen Träger wie die Arbeiter Wohlfahrt oder das Deutsche Rote Kreuz, aber auch Fröbel, PME Familienservice und andere freie Träger ab.

Noch immer sind Betriebskitas in Bremen – anders als beispielsweise in Baden-Württemberg mit einem sehr fortschrittlichen Betriebskitagesetz – leider nicht sehr verbreitet: Daimler und SWB beispielsweise sind bisher Ausnahmen in der Betreuungslandschaft. Diese Kitas reservieren einen Teil ihrer Plätze für die Kinder ihrer Belegschaft, die anderen Plätze stehen allen Kindern der Stadt zur Verfügung, unabhängig davon, ob ihre Eltern Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der jeweiligen Betriebe sind. Betriebskitas leisten einen unvergleichlich hohen und wertvollen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Flexibler als andere öffentliche Betreuungsformate können sie in ihrem Angebot auf Arbeitszeiten, Betriebsferien o.ä. reagieren und entsprechend tragen sie in den Familien zur Entspannung zwischen betrieblichen und familiären Anforderungen bei. Damit leisten sie auch unter den Aspekten der elterlichen Gleichbehandlung und der Auflösung von Gender-Care- und Gender-Pay-Gap einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Vor diesem Hintergrund muss sich der Senat fragen lassen, wie er zukünftig die Neugründung betriebsnaher Bildungseinrichtungen erleichtern und begünstigen kann.

Zeitgleich mit dem oben zitierten Artikel erscheint auch der Bericht „Unternehmer bauen jede zweite Kita in Bremen“ im Weser Kurier. Ausführlich stellt er dar, wie sich im Laufe der Jahre das Verhältnis der Bremer Regierung zu der Frage, ob Investoren für die Stadt bauen und freie Träger die Einrichtungen betreiben sollen, verändert hat. Inzwischen sind mehr als die Hälfte der seit 2016 eröffneten Kitas von Investoren gebaut worden, die nun von einer Vielzahl von freien Trägern geführt werden.

Trotz des enormen Ausbaugeschehens in der Bildungs- und Betreuungslandschaft Bremens, kann die Stadt den Bedarf an Kitaplätzen zur Umsetzung des 2008 erstmals eingeführten Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz nach wie vor nicht decken. Das ist ein trauriger Befund, bedeutet es doch, dass viele Kinder Bremens noch immer keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung haben. Ohne die vielen Investoren und freien Träger wäre das Bild der frühkindlichen Bildungslandschaft in Bremen noch trostloser. Bremen kann auch in Zukunft auf diese starken Partner nicht verzichten, um den geltenden Rechtsanspruch umzusetzen und tatsächlich allen Bremer Kindern ein frühkindliches Bildungsangebot machen und somit einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Chancengleichheit leisten zu können. Daher ist es von besonderer Relevanz, mit den vielen Akteuren der frühkindlichen Bildung in Bremen in einem transparenten Austausch zu stehen und ihre wirtschaftliche Existenz durch Verzögerungen oder unklare Handlungsempfehlungen nicht zu gefährden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat eine besondere Verantwortung, alle Träger von Bildungseinrichtungen ihrer bedeutenden Rolle entsprechend angemessen zu behandeln und dort aktiv zu werden, wo sich eindeutiger Verbesserungsbedarf abzeichnet. Bremen muss ein attraktiver Standort für freie Träger und Betriebskitas werden, wollen wir chancengerechtes Aufwachsen für alle Bremer Kinder nachhaltig absichern.

Deshalb fragen wir den Senat:

  1. Wie hoch ist jeweils der Eigenanteil, den die in Bremen in der Kindertagesbetreuung tätigen freien Träger erbringen müssen (bitte nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? 
    • Womit sind – so existent – die Unterschiede in der Höhe jeweils begründet? 
    • Ist eine Vereinheitlichung des Eigenanteils geplant, wenn ja, auf welche Höhe und zu welchem Kita-Jahr soll diese Angleichung erfolgen, wenn nein, warum nicht?
  2. In welcher Höhe werden die von den Trägern kalkulierten Kosten für Verwaltung und Management verlässlich anerkannt (bitte jeweils nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln), wo sind die entsprechenden Kostensätze transparent einsehbar geregelt, wann wurden sie zuletzt angepasst und in welchem Rhythmus sollen Sie zukünftig angepasst werden?
  3. Welche Mietkosten sowie Mietneben- und Gebäudekosten wurden auf welcher Grundlage den einzelnen Trägern anerkannt und womit sind eventuelle Unterschiede begründet (bitte jeweils nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln),
    • Wo sind die entsprechenden Kostensätze transparent einsehbar geregelt? 
    • Plant der Senat eine Vereinheitlichung, wenn ja, wann und in welcher Höhe, wenn nein, warum nicht?
  4. Wie begründet der Senat, dass seit 2009 keine Anpassung der anzurechnenden Betriebskosten stattgefunden hat?
  5. Inwiefern plant der Senat für die Zukunft eine dynamische Betriebskostenanpassung, wenn sie geplant wird, ab wann soll sie gelten und wie soll sie gestaltet sein, wenn nicht, warum nicht?
  6. Wann wurden den jeweiligen Trägern die Zuwendungsbescheide für das jeweils kommende Geschäftsjahr zugestellt (bitte nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln) und wie bewertet der Senat die daran geknüpfte Planungssicherheit für die jeweiligen Träger?
  7. Welche zusätzlichen Zuwendungen können den Trägern (bspw. für das 9. und 10. Kind in der Krippe oder zur Personalverstärkung) in welcher Höhe bewilligt werden, 
    • Wo sind diese Zuwendungsoptionen transparent einsehbar geregelt und welchen Trägern wurden welche Zuwendungen positiv beschieden (bitte nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? 
    • Aus welchen Gründen kam es in welchem Umfang zu Negativbescheidung (bitte nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)?
  8. Wie und durch wen erfolgt die Beratung bei Interessenbekundungsverfahren bzw. bei Fragen der Zuwendungsbescheidung und Abrechnung, welche Dokumente sind dafür die Grundlage und wertet der Senat die hier zur Verfügung gestellten behördlichen Arbeitszeitkapazitäten als ausreichend, d.h. wie zeitnah können von den unterschiedlichen Trägern Beratungstermine vereinbart werden?
  9. Inwieweit ist im Wettbewerb um Fachkräfte etwa die Anrechnung von hohen Einkommensstufen (4-6) bereits bei Anstellung zuwendungsfähig, 
    • Bei welchen Trägern wurde eine entsprechende Zuwendung positiv beschieden und auf welcher formalen, transparent einsehbaren Grundlage erfolgt diese Bescheidung (bitte nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? 
    • Bei welchen Trägern wurde aus welchen Gründen die Anrechnung negativ beschieden (bitte nach Trägern und für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)?
    • Wie und durch wen wird die Einhaltung des Besserstellungsverbotes bei der (Haus-)-Tarifgestaltung der einzelnen Träger überprüft?
    • Wie wird sichergestellt, dass alle Träger die Eingruppierung nachgewiesener Qualifikationen und die tariflich vorgegebenen Stufenlaufzeiten aufgrund nachgewiesener einschlägiger Berufserfahrungen tatsächlich korrekt vornehmen und keine Schieflagen im Wettbewerb entstehen?
  10. Wann wurde eine nach sozialen Lagen differenzierte Ressourcenausstattung in Kitas zuletzt neu geregelt und welche zusätzlichen Förderungen umfasst diese aktuell (bspw. Kita-Verstärkungsmittel/soz.Päd. I – Vernetzung im Stadtteil/Familienzentren und soz. Päd. II – Verstärkung in Indexlagen oder Maßstab zur Feststellung besonderer Tätigkeit zur Eingruppierung nach SuE 8b)? 
    • Inwieweit wird der jeweilige Index und die daran geknüpfte Sonderausstattung kita- und/oder quartierscharf erhoben?
    • In welchem zeitlichen Rhythmus erfolgt diese Anpassung der Ressourcenausstattung?
    • Inwiefern gilt sie für alle Träger gleichermaßen (wenn nicht, warum nicht) und spiegelt sich entsprechend in den Zuwendungsbescheiden der vergangenen fünf Jahre wider?
    • Wann erfolgte in der Vergangenheit die erstmalige Bewertung der neu eröffneten Einrichtungen oder bei Kapazitätserweiterungen und wie dynamisch ist dieser Bewertungsprozess?
  11. Inwiefern sieht der Senat in Bezug auf eine differenzierte Ressourcenausstattung für die Zukunft weiteren Handlungs- und Regelungsbedarf, um beispielsweise die negativen Auswirkungen von Corona auf Kinder aufzufangen – wenn ja, welche Ressourcen könnten das sein und wann soll eine Anpassung erfolgen, wenn nicht, warum nicht?
  12. Wie trägt der Senat bei schon bewilligten und zukünftigen Vorhaben der Träger der aktuellen Preissteigerung – die Preissteigerung bei den Kitaausstattern liegt im letzten Jahr zwischen 6% und 12% – Rechnung und hält er es für notwendig, die Zuwendungen bspw. für Erstausstattung und Außengelände entsprechend anzupassen?
  13. Die Berichtsbitte der FDP-Fraktion in der Deputation für Kinder und Bildung (Stadt) vom 30.06.2021 (VL 20/4037) zeigt, dass Verwendungsnachweise für referenzwertfinanzierte Träger aus 2017 noch nicht für alle Träger geprüft bzw. abgerechnet waren: Konnten diese Rückstände inzwischen abgebaut werden und wenn nicht, in welchem Stadium ist die Aufarbeitung der Rückstände (bitte nach Träger und Jahr aufschlüsseln)?
    • In welcher Höhe sind hier bisher zusätzliche Kosten für die Stadt Bremen entstanden und inwieweit werden nach Prüfung der ersten Belege aus 2017 voraussichtlich zusätzliche Kosten für die Stadt Bremen erwartet?
    • Mit welchen strukturellen Maßnahmen wird zukünftig der Auflauf eines ähnlichen Rückstandes an unbearbeiteten Verwendungsnachweisen verhindert?
  14. Inwiefern plant der Senat, das Konzept von referenzwert- und richtlinienfinanzierten Einrichtungen aufrechtzuerhalten und welche Veränderungs- und Anpassungsbedarfe sieht er für die nahe Zukunft an diesem Konzept?
  15. Die genannte Berichtsbitte (VL 20/4037) weist auch ein Bearbeitungsrückstand im Bereich der Investitionsförderung auf: Konnte auch dieser Rückstand inzwischen bearbeitet werden, wenn nicht, bitte den Umfang des Rückstands, mit Angabe der Träger und aus welchen Jahren die Verwendungsnachweise sind, angeben. 
    • In welcher Höhe sind hier zusätzliche Kosten für die Stadt Bremen entstanden und inwieweit werden nach Prüfung der ersten Belege aus 2017 zusätzliche Kosten für die Stadt Bremen erwartet?
    • Mit welchen strukturellen Maßnahmen wird zukünftig der Auflauf eines ähnlichen Rückstandes an unbearbeiteten Verwendungsnachweisen verhindert?
  16. Die genannte Berichtsbitte (VL 20/4037) macht deutlich, dass Antragsformulare für die einzureichenden Wirtschaftspläne 2021 im Juni 2021 noch nicht vorgelegen haben: Sind die überarbeiteten Antragsformulare u. a. zur Referenzwertfinanzierung inzwischen erstellt?
    • Wenn ja, seit wann liegen sie transparent einsehbar vor?
    • Wenn nein, warum nicht und welche Auswirkungen hat das für die Träger?
    • Wann werden sie vorliegen?
  17. Die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu Verpflegungskosten in Bremer Bildungseinrichtungen (Drs. 20/399S zu Drs. 20/341 S) weist für KiTa Bremen Kosten pro Essen von rd. 4,50 Euro aus, die Zuwendungshöhe der Pauschale für freie Träger beträgt 3,94 Euro: Wie begründet der Senat den ausgewiesenen Unterschied?
  18. In der Kleinen Anfrage (Drs. 20/399S zu Drs. 20/341 S) heißt es: „In 2021 soll die Fortschreibung und Anpassung der Referenzwert-Systematik im Rahmen der bestehenden Haushaltsmittel mit den entsprechenden Teilleistungspauschalen vereinbart werden.“ – ist die Vereinbarung erfolgt und wenn ja, wie sehen die Vereinbarungen aus, wenn nein, warum nicht und wann ist diese zu erwarten?
  19. Welche verbindlichen Regelungen greifen bei der Aufnahme von Kindern aus Niedersachsen und bewertet der Senat den Entfall der Finanzierungsgrundlage für diese Plätze bei betriebsnahen Einrichtungen als Nachteil (wenn nein, warum nicht)? Welche Regelungen wurden für einen auskömmlichen Ausgleich mit den Umlandkommunen getroffen und seit wann gelten diese?
  20. Auf welcher Grundlage wird durch wen ein Fortbildungsbedarf für die Mitarbeitenden aller Träger definiert und wie und durch wen erfolgt die Angebotsplanung?
  21. Inwiefern hält der Senat trägerübergreifende Fortbildungsprogramme bereit, waren und sind sie allen Trägern zugänglich (wenn nicht, warum nicht) und wie werden die Träger in die Angebotsplanung einbezogen?
  22. Inwiefern stehen den einzelnen Trägern Zuwendungspauschalen für Fortbildungen ihrer Teams zur Verfügung (bitte, wenn notwendig, nach Trägern aufschlüsseln), wenn ja, in welcher Höhe und wo sind diese transparent einsehbar geregelt, wenn nicht, warum nicht?
  23. Im Wettbewerb um gute Fachkräfte zeigt sich immer wieder, dass eine frühe Bindung an den Arbeitgeber schon während der Ausbildung einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Fachkräftesicherung leisten kann – vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es gerade neuen Trägern am Markt möglich ist, die rechtlichen Voraussetzungen für Praxisanleitungen zu erfüllen und somit selbst als Ausbildungsbetrieb zu fungieren und wie diese zukünftig darin unterstützt werden können, Fachkräfte frühzeitig zu binden, wenn die Anleitung von Auszubildenden durch erfahrene Fachkräfte zur Verfügung steht?
  24. Welche Reformen der gesetzlichen Grundlagen für Betriebskitas hält der Senat für notwendig, um das Konzept Betriebskita zu stärken und bei den Betrieben der Stadt aktiv für dieses Modell zu werben, wenn nicht, warum nicht?
  25. Wie lange dauert im Durchschnitt ein Bewilligungsverfahren für Betriebskitas und welche Phasen der Bewilligung muss es durchlaufen?
  26. Wieviel Anfragen zur Gründung einer Betriebskita haben die Senatorin für Kinder und Bildung bzw. die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in den letzten fünf Jahren erreicht, wie viele dieser Projektideen wurden tatsächlich verwirklicht und welche Informationen gibt es darüber, warum und in welcher Phase des Prozesses andere Pläne letztendlich nicht umgesetzt wurden?
  27. Wie begründet der Senat, dass für betriebsnah betreute Kinder den Trägern zwischen 150,00 Euro und 300,00 Euro je Platz und Monat angerechnet werden, obwohl es sich um Kinder der Stadt Bremen handelt, die einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben und das BremAOG eine Aufnahme in Arbeitsplatznähe ausdrücklich als Kriterium definiert?
  28. Wie begründet der Senat die Tatsache, dass ein die Betriebsgenehmigung bedingender Spielplatz noch immer nicht genehmigt/umgesetzt ist, die Kita dadurch über kein eigenes Außengelände verfügt und wie ist die Verzögerung entstanden?
  29. Ist es geplant, Spielplätze von Kitas freier Träger bspw. auch als öffentlichen Spielplatz zu realisieren und wenn ja, wie bewertet der Senat die Sicherheitsgefährdung für die Kita-Kinder (Drogenkonsum auf und Vermüllung von öffentlichen Spielplätzen; erschwerte Betreuungsbedingungen durch nicht abgegrenztes Außengelände)?
  30. In wie vielen Fällen in der Stadt ist es üblich, dass das Außengelände einer Kita auch als öffentlicher Spielplatz genutzt wird?