Einschränkungen für Kinder und Jugendliche vermeiden – Schuljahr 2021/2022 rechtzeitig absichern!

Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FDP.

Die Auswirkungen der Pandemie auf das physische und psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen sind inzwischen hinlänglich bekannt. Der von der FDP initiierte interfraktionelle Antrag für einen Kinder-Corona-Gipfel zeigt, dass auch Bremen diese Auswirkungen anerkannt hat und an der notwenigen Bewältigung arbeitet.

Umso mehr ließen die Worte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aufmerken als er Mitte Juni mit Blick auf die neue Delta-Variante Schulen als Drehscheibe des Virus in die Haushalte hinein bezeichnete und betonte, dass man auch mit Beginn des neuen Schuljahres wieder auf den Wechselunterricht als Mittel der Kontaktbeschränkung zurückgreifen werden müsse.

Diese Aussage und die dahinterstehende Haltung sind angesichts der längst bekannten Auswirkungen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auf Kinder und Jugendliche erschreckend. Auch die intensive und anhaltende Belastung für die Familien scheint sie zu ignorieren. Vor dem Hintergrund der wenige Tage später vorgelegten Studie von Forschern der Frankfurter Goethe-Universität zur Effektivität des Distanzunterrichts wirkt sie alarmierend. Sie bewerten die durchschnittliche Kompetenzentwicklung während der Schulschließungen 2020 im besten Fall als Stagnation, wobei sich eine deutliche Tendenz zu Kompetenzeinbußen abzeichne. Sie verglichen die Wirksamkeit mit Sommerferien und, wie immer im Bildungsbereich, korrelieren mit dem sozioökonomischen Status des Elternhauses und dem Alter der Kinder auch die negativen Folgen: Je schlechter die Eltern selbst ausgebildet sind und je schwieriger die soziale Situation der Familie und je jünger die Schülerin oder der Schüler ist, um so stärker sind die nachteiligen Auswirkungen des Distanzlernens. Was bis zur vorgelegten Studie als Vermutung galt, hat nun empirische Evidenz. Stärker als je zuvor klafft die Schere zwischen Arm und Reich in der Bildungslandschaft auseinander. 

Zwar hat sich der Distanzunterricht inzwischen verbessert, doch kann er die negativen Auswirkungen nicht auffangen. Beruhigend ist, dass die Kultusministerkonferenz bisher mehrfach betont hat, dass man nach den Sommerferien zum Präsenzunterricht zurückkehren wolle. Die angekündigten Teilschließungen von Bundesminister Spahn aber dämpfen das Vertrauen in dieses Bekenntnis. 

Im Sinne der Kinder und Jugendlichen und einer familienfreundlichen Politik muss es das oberste Ziel sein, den Regelbetrieb in den Bildungseinrichtungen so lange wie möglich umzusetzen. Die Sommermonate dürfen nicht in dem Glauben verstreichen, Corona sei besiegt, um dann bei steigenden Inzidenzzahlen nach den Ferien von der Wirklichkeit eingeholt zu werden. Verschiedene Vorkehrungen müssen deshalb schon jetzt getroffen werden: Die Wirksamkeit von Filteranlagen ist inzwischen bekannt. Land und Bund stellen sogar Mittel zur Verfügung, diese tatsächlich in Kitas und Schulen anzuschaffen (zum bisherigen Stand der Ausstattung siehe die Berichtsbitte „Ausstattung von Schulen und Kitas mit Luftfiltern“ der FDP-Fraktion in der Deputation für Kinder und Bildung (Stadt) vom April 2021, VL 20/3539). Voraussetzung aber ist eine technische Überprüfung, die für die städtischen Kitas und Schulen Immobilien Bremen leisten muss, um zügig nachrüsten zu können. Nur eine moderne Haustechnik kann für einen schnellen Luftaustausch sorgen, um die Viruslast zu reduzieren. Dafür die entsprechenden Förderprogramme in Land und Bund auszuschöpfen, muss oberstes Gebot für die Sommermonate 2021 sein.

Sollten sich Teilschließungen tatsächlich im nächsten Schuljahr nicht vermeiden lassen, brauchen wir für alle Bildungseinrichtungen verbindliche, digital gestützte Konzepte für den Distanzunterricht (siehe dazu das Positionspapier „Kinderlockdown: puffen, mildern, kompensieren!“ der FDP-Fraktion vom 23. April 2021). Diese hätten schon in den Sommerferien 2020 entstehen müssen, spätestens jetzt aber, nachdem alle Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrerinnen und Lehrer mit technischen Geräten ausgestattet sind, steht neuen Verbindlichkeiten im Lehrbetrieb nichts mehr im Wege. Verstärkte Aufmerksamkeit muss dabei auch der Bereitstellung von digitalen Schulbüchern und anderen digitalen Arbeitsmitteln gelten, um das Lernen in Präsenz und auf Distanz nachhaltig zu modernisieren (siehe dazu die Berichtsbitte der FDP-Fraktion „Digitale Schulbücher und digitale Arbeitsmittel“ in der Deputation für Kinder und Bildung (Land) vom April 2021, VL 20/3496).

Die Absicherung von Präsenzphasen geht auch mit einer steigenden Impfquote einher. Mittels einer Aufklärungskampagne müssen alle Angestellten in Kitas und Schulen noch einmal ermutigt werden, das staatliche Impfangebot tatsächlich zu nutzen.

Wie dringend notwendig es ist, die kommenden Sommerwochen zur intensiven Vorbereitung zu nutzen, unterstrich zuletzt der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt. Er forderte die Bundesländer mit Nachdruck auf, aktualisierte Hygienekonzepte für die Zeit nach den Ferien zu erarbeiten, eine Sommerpause wie im letzten Jahr könne man sich nicht noch einmal leisten.

Die Stadtbürgerschaft möge beschließen:

Die Stadtbürgerschaft fordert den Senat auf:

  1. Sich dazu zu bekennen, den Regelbetrieb in Kindertagesstätten und Schulen sowie allen Institutionen der offenen Kinder- und Jugendarbeit so lange wie möglich umzusetzen und dafür alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
  2. Sich gleichzeitig auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass bei allen zukünftig zu treffenden Maßnahmen des Infektionsschutzes die Kinderrechte und -bedarfe geachtet werden, um Phasen anhaltender Belastung und Benachteiligung auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren und stets mit starker Stimme für die Kinder und Jugendlichen zu sprechen.
  3. Die Haustechnik der Bildungseinrichtungen so auszustatten, dass nach modernen technischen Maßstäben ein gezielter Luftaustausch erfolgen kann, um die Viruslast zu reduzieren. Die dafür notwenigen planungstechnischen Vorbereitungen müssen zügig von Immobilien Bremen umgesetzt werden. Außerdem ist zu prüfen, wie entsprechende Fördermittel auf Landes- und Bundesebene die Finanzierung der angestrebten Modernisierung stützen.
  4. Zu prüfen, welche Räume im unmittelbaren Umfeld der Bildungseinrichtung ggf. für den Schul- oder Kitabetrieb genutzt werden könnten, um im Bedarfsfall schnell in kleineren Gruppen arbeiten zu können.
  5. Bis zum Schuljahresbeginn ein abgestimmtes, verbindliches Konzept für den digital gestützten Distanzunterricht vorzulegen, das für alle Lehrerinnen und Lehrer der Stadt verbindlich ist.
  6. Ein aktualisiertes Hygienekonzept für alle professionell mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeitenden Menschen und Einrichtungen vorzulegen, das auf regelmäßigen Testungen aller Präsenten beruht und dabei auch die wieder in den Präsenzalltag einzubinden, die die Testung bisher verweigern und deshalb weiter der Schule fernbleiben.
  7. Festzustellen, wie hoch die Impfquote aller an Schule und Kita Tätigen ist und diese ggf. mit einer erneuten Aufklärungskampagne zu erhöhen, um die Präsensphasen so gut wie möglich abzusichern.
  8. Allen impfwilligen Schülerinnen und Schülern – abhängig von den jeweiligen Zulassungsmodalitäten der Impfstoffe – noch vor dem Herbst ein Impfangebot zu unterbreiten.