Datenschutz bei polizeilicher Telekommunikationsüberwachung

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

Bremen plant im Rahmen der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) im Ver- bund mit den norddeutschen Küstenländern (Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) die Einrichtung eines gemeinsamen Rechen- und Dienstleistungszentrums (RDK). Das RDK soll gemäß der Vereinbarung der norddeutschen Küstenlän- der beim niedersächsischen Landeskriminalamt angesiedelt werden. Jedoch gibt es bereits heute erhebliche datenschutzrechtliche und technisch-organisatorische Mängel bei der Um- setzung des bestehenden Verwaltungsabkommens, das seit 2007 zwischen den Ländern Bremen und Niedersachsen besteht. Dieses regelt die gemeinsame polizeiliche TKÜ unter Federführung des niedersächsischen Landeskriminalamts (LKA).

Die Landesbeauftragte für Datenschutz des Landes Niedersachsen hat in ihrem 22. Tätig- keitsbericht festgestellt, dass es erhebliche Mängel in der Praxis der polizeilichen TKÜ in Nie- dersachsen gibt. Diese werden zusätzlich durch die bereits im 36. Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz des Landes Bremen beanstandeten Mängel untermauert. Ausweislich des 37. Jahresberichts der Landesbeauftragten für Datenschutz des Landes Bremen und der Beratungen des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und In- formationsfreiheit hierzu (Ausschussprotokoll der 4. Öffentlichen Sitzung vom 2. Dezember 2015), sind die 44 von der niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten festgestellten Mängel noch immer nicht behoben. Da sich offenkundig bereits erhebliche Mängel aus der bestehenden bilateralen Kooperation zwischen Bremen und Niedersachsen ergeben, weckt dies Zweifel an der Einhaltung datenschutzrechtlicher sowie technisch-organisatorische Vorgaben im Rahmen der ab 2020 geplanten gemeinsamen polizeilichen TKÜ und der Einrichtung des gemeinsamen RDK im Verbund der norddeutschen Küstenländer.

Auf Grund der Planungen, den Staatsvertrag zur Schaffung eines RDK im Verbund der norddeutschen Küstenländer noch vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September 2016 zu unterzeichnen und zu ratifizieren, beantragen wir zugleich die Beantwortung innerhalb von drei Wochen gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung der Bremi- schen Bürgerschaft.

Wir fragen den Senat:

1) Wie haben sich die Fallzahlen der Telekommunikationsüberwachung beim LKA in den Jahren ab 2010, aufgeschlüsselt nach Jahren und Rechtsgrundlage, entwickelt?

  1. Welche Informationen über Mängel in der Praxis der polizeilichen TKÜ in Niedersa- chen sind dem Senat bekannt, und wie bewertet er diese?
  2. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Behebung dieser Mängel durch das Land Niedersachen?
  3. Wie bewertet der Senat den im 37. Jahresbericht der Landesdatenschutzbeauftrag- ten des Landes Bremen festgestellten fehlenden Fortschritt bei der Behebung der Mängel?
  4. Inwieweit betreffen die von der Datenschutzbeauftragten des Landes Niedersachsen festgestellten Mängel auch die Praxis der polizeilichen TKÜ im Land Bremen?
  5. Wann und in welcher Art und Weise hat sich der Senator für Inneres am Prozess der Mängelbeseitigung beteiligt?
  6. Steht der Senator für Inneres im Rahmen der Mängelbeseitigung in Kontakt mit sei- nem niedersächsischen Amtskollegen, den Landesbeauftragten für Datenschutz der Länder Bremen und Niedersachen, dem LKA Niedersachen und der Polizei Bremen? Wenn ja, wann und in welcher Art und Weise haben Gespräche stattgefunden und im Einzelnen zu welchen Ergebnissen geführt?
  7. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass auf Grund der bekannten Mängel TKÜ-Erkenntnisse vor Gerichten keinen Bestand haben könnten?
  8. Sieht der Senat Bedarf das bestehende Verwaltungsabkommen mit Niedersachsen zu aktualisieren und entsprechend der aufgetretenen Mängel anzupassen?
  9. Wie plant der Senat die Kontrolle der gemeinsamen polizeilichen TKÜ und des gemeinsamen RDK vor dem Hintergrund, dass ein Teil der von der Landesdatenschutzbeauftragten Niedersachsens festgestellten Mängel Verschlusssachenanweisungen enthalten und dementsprechend der Geheimhaltung unterliegen?
  10. Wie sollen nach Ansicht des Senats die Landesdatenschutzbeauftragte und die Bremische Bürgerschaft ihre Kontrollfunktion in diesem Rahmen ausüben können?
  11. Wie stellt der Senat sicher, dass die festgestellten Mängel in der Praxis der polizeilichen TKÜ in Niedersachsen nicht auch bei der gemeinsamen TKÜ und dem Betrieb des RDK im Verbund der norddeutschen Küstenländer auftreten?
  12. Plant der Senat die Ratifizierung des Staatsvertrags zur gemeinsamen polizeilichen TKÜ und den Betrieb des RDK im Verbund der norddeutschen Küstenländer auch für den Fall, dass die beschriebenen Mängel im Rahmen der bestehenden Verwaltungskooperation mit Niedersachsen nicht vollumfänglich behoben werden?
  13. Stimmt der Senat zu, dass Maßnahmen zu Telekommunikationsüberwachung einen weitreichenden Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger darstellen, aus dem sich eine besondere Sorgfalt in der Ausgestaltung und Durchführung dieser Maßnahmen ergibt?
  14. Inwiefern stimmt der Senat zu, dass vor dem Hintergrund des weitreichenden Eingriffs in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, die datenschutzrechtliche Sorgfalt in der Ausgestaltung und Durchführung von TKÜ-Maßnahmen höher zu bewerten ist als ein möglicher positiver Kosteneffekt durch eine Durchführung dieser Maßnahmen in Kooperation mit anderen Ländern?
  15. Aus welchen Gründen stimmt der Senat der Einrichtung eines gemeinsamen RDK im Verbund mit den norddeutschen Küstenländern unter Federführung des LKA Niedersachsen angesichts der bekannten erheblichen Mängel in der Praxis der polizeilichen TKÜ in Niedersachsen zu?
  16. Liegen Ausweichkonzepte für den Fall vor, dass die festgestellten datenschutzrechtli- chen und technisch-organisatorischen Mängel in der Praxis der polizeilichen TKÜ in Niedersachsen nicht vollumfänglich behoben werden können und wenn ja, wie sehen diese aus?

Dr. Magnus Buhlert, Peter Zenner, Lencke Steiner und die Fraktion der FDP

Antrag auf der Seite der Bremischen Bürgerschaft