Bremens Hauptbahnhof wieder zu einem sozialen, sauberen und sicheren Ort machen! 

Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FDP.

Die komplexe Problematik am Hauptbahnhof ist in Bremen wie in vielen anderen europäischen Städten ein wachsendes Phänomen. Dem Leid, der Obdachlosigkeit, den Drogenabhängigen, dem Schmutz und der Kriminalität am Bremer Hauptbahnhof widmen sich Bremer Behörden, NGOs, Kirchen, die Landes- und Bundespolizei und viele andere, auch viele private und kirchliche Initiativen. Nach Möglichkeit und Kräften versuchen auch die Senatoren von Inneres, Soziales oder Gesundheit gute Instrumente zu entwickeln, jeweils gemäß ihrer Kompetenz und Zuständigkeit. Viele Helferorganisationen mit hoch motivierten Bürgerinnen und Bürgern, sind bemüht mit langfristigem Engagement die Situation für die – oft noch jungen, zunehmend aus anderen Ländern zu uns kommenden – Obdachlosen oder drogenabhängigen Bürgerinnen und Bürger zu verbessern und würden zu gerne eine langfristige Wirkung erzielen. Manche sind erschöpft – und machen trotzdem weiter. Auch die polizeilichen Maßnahmen schöpfen aus den ressorteigenen Möglichkeiten und Erfahrungen. Seit Monaten beschweren sich Bürger über Schmutz und Elend und Kriminalität rund um den Hauptbahnhof, über aggressive Bettelei und darüber, dass der Busbahnhof längst kein Ort mehr ist, an dem man gerne auf den nächsten Bus warten mag. Die Innenbehörde ist daher ebenfalls bemüht der Lage Herr zu werden. Die sozialen Initiativen, Projekte und Ansätze können trotz hohem Einsatz den wachsenden Bedarf weder sättigen noch stoppen. Auch die engagierte Arbeit der Polizei dockt an den sichtbaren Problemen und Beschwerden an, aber es gelingt auch ihnen keine nachhaltige Lösung. Trotz des vielfältigen Engagements – auch seitens der Gesundheitsbehörde – spitzt sich die Lage immer schneller zu. Käuflicher Sex und Drogen dehnen sich auf Wohnviertel, Spielplätze und Schulhöfe aus. Sie werden damit auch zunehmend für Kinder und Jugendliche zur Gefahr. 

Manche Einzelmaßnahmen scheinen Probleme nur zu verschieben, manchmal sogar einen pull-Effekt zu bewirken oder eben nur kurzzeitig und oberflächlich zu lindern. Das Problem lösen können sie nicht. Sie weisen eine für Dilemmata typische negative Wechselwirkung auf: Verbessert man z.B. die Versorgungssituation, wird der Bahnhof als Aufenthaltsort noch attraktiver und die Situation am Bahnhof elender, weil Leid, Schmutz, Kriminalität am Bremer Bahnhof nehmen zu. Verschärfte innenpolitische Maßnahmen dagegen haben häufig den Effekt das größte Elend zwar kurzfristig aus der Sichtbarkeit zu schaffen, transportieren damit aber eine höhere Kriminalität, Drogenszenerie und Elend in die nahegelegenen Wohngebiete.

 Wenn Fahrgäste die Haltestellenbereich der BSAG nicht mehr als Wartebereich nutzen können, ankommende Gäste einer verschmutzten, elenden Obdachlosen- und Drogenszenerie begegnen, wenn Drogenabhängige und Obdachlose nicht erreicht werden mit etwas, was zwar zur Linderung aber nicht zu einer wirklichen Veränderung ihrer Lebenssituation führt, wenn Anwohner verzweifelt sind, weil Einbrüche, Drogenkonsum samt Folgeerscheinungen und aggressive Bettelei direkt vor ihrer Haustür stattfinden, wenn Bürger und Nachbarn wegen der Situation am Hauptbahnhof erschöpft sind, müssen wir erkennen, dass es bislang nicht gelungen ist nachhaltige Veränderungsstrukturen für den Bremer Hauptbahnhof und Umzu zu schaffen. 

Im Baukasten des Senats lagern nun die Maßnahmen wie Werkzeugteile wild zusammengewürfelt. Manche sind hilfreich und gut und wichtig und richtig. Allerdings beobachtet man z. B. dass eine erhöhte Polizeipräsenz auf der Bahnhofsplatte zwar für einige Zeit zugespitzte Situationen verhindert, aber wenn sich das Problem auf andere Plätze verschiebt, ist es nur eine kurzfristige Hilfe, die der Not und den Folgeerscheinungen nicht an die Wurzel geht. Aber auch Antworten wie die eines langjährigen Drogenabhängigen, dass es in Bremen „am besten“ sei, zeigt deutlich, dass bessere Unterstützung und Versorgung von sozialer Seite nicht ausreichen, um der Gesamtproblematik insgesamt Herr zu werden. Hilflosigkeit sollte hier trotzdem nicht in Resignation münden, denn alle Akteure wünschen sich von Herzen eine nachhaltige Lösung.

Der fokussierte Blick der einzelnen Fachressorts Soziales, Städtebau, Inneres, Frauen und Kinder bis hin zu Gesundheit bringt zwar für jedes Ressort stimmige und logische Maßnahmen hervor, aber im Zusammenklang sind sie nicht immer zielführend. In der Antwort des Bremer Senats auf die Berichtsbitte der FDP-Fraktion in der Innendeputation am 13. 12. 2021 wird deutlich, dass – vielleicht weil man einfach endlich handeln wollte – bislang eine strukturierte Untersuchung und Analyse von Maßnahmen und eine Evaluation ihrer Wirkmechanismen in anderen Städten Deutschlands und Europas bislang nicht unternommen hat. Dies wäre für den Umgang mit den Wechselwirkungen einzelner Maßnahmen und für die Überwindung von Dilemmata aber nötig. 

Daher fordern wir den Senat auf, jenseits von Instrumenten, die den Ressortlogiken entspringen, den Prozess zur Lösungsfindung aus übergeordnetem Blick neu aufzusetzen. Dieser übergeordnete Blick kann nicht aus der Perspektive eines einzelnen Ressorts kommen, die am Ende wieder um die Deutungshoheit mit den Kollegen ringen müssen. Durch einen extern geführten Prozess müssen Konzepte, Instrumente und Maßnahmen neu ausgerichtet und vor allem in ihrer Wechselwirkung aufeinander abgestimmt werden. Durch einen solchen übergeordneten Prozess gibt es die Chance, dass der Bremer Hauptbahnhof und sein Umfeld wieder ein sicherer, sauberer und auch ein sozialer Ort für alle Bremer und ihre Gäste werden kann. 

Die Bremische Bürgerschaft (Stadtbürgerschaft) möge beschließen: 

Die Bremische Bürgerschaft (Stadtbürgerschaft) fordert den Senat auf:

  1. Ein professionelles, externes Expertenteam zu ermächtigen, für die komplexe Situation am Hauptbahnhof 
    • eine qualifizierte Analyse durchzuführen, welche Wirkmechanismen bisher durchgeführte und geplante Maßnahmen haben und in welcher Wechselwirkung diese zueinanderstehen stehen;
    • ein übergeordnetes Konzept zu erarbeiten, das die wechselseitige Wirkung von Einzelmaßnahmen berücksichtigt und damit zu einer nachhaltig wirksamen Lösung führen kann.
  2. Dieses externe Expertenteam mit der Kompetenz auszustatten, konkrete Handlungsempfehlungen, in die einzelnen Ressorts zu geben
  3. Jede Maßnahme, bzw. jedes Maßnahmenbündel, an passgenauen Kriterien, gemäß der formulierten Zielsetzung, einer jährlichen Evaluation zu unterziehen und ggf. entsprechende Änderungen an den Maßnahmen vorzunehmen.
  4. Halbjährlich in den Deputationen Inneres das Konzept, inklusive der Handlungsempfehlungen für die einzelnen Ressorts, vorzustellen.