Teilzeitfalle und Gleichstellungsbemühungen – offene Fragen zum Personalbericht 2022 (Drs. 20/1632)

Kleine Anfrage der Fraktion der FDP.

Der Senator für Finanzen hat im Oktober 2022 den Personalbericht 2022. Bericht über die Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes mit den Daten des Jahres 2020 (Drs. 20/1632) veröffentlicht. Gemäß §16 Absatz 1 des Gesetzes zu Gleichstellung (LGG) von Frau und Mann im öffentlichen Dienst des Landes Bremen muss dieser Bericht im Abstand von zwei Jahren vorgelegt werden. Aufgenommen sind auch – gemäß dem Beschluss des Senates aus 2008 – die im öffentlichen (Mehrheits-)Besitz befindlichen bremischen Gesellschaften des Landes und der beiden Stadtgemeinden.

Die vorgelegten Daten geben einen guten Überblick zur Personalstruktur im öffentlichen Dienst und bei den im öffentlichen (Mehrheits-)Besitz befindlichen bremischen Gesellschaften. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Leitungsfunktionen zu 45% mit Frauen besetzt sind. Dieser Fakt muss aber bei genauer und hinterfragender Lektüre relativiert werden. Das Frauen-Männer-Führungskräfteverhältnis ist tatsächlich nahezu 1:1, dass Frauen-Männer-Angestelltenverhältnis ist aber etwa 2:1, das bedeutet, dass es anteilig nur halb so viele weibliche wie männliche Führungskräfte gibt. Der Bericht verschleiert diese offensichtliche Schieflage in der Gleichstellung nicht, hebt ihre kritische Aussage mit Blick auf die Beurteilung der faktischen Gleichstellung von Mann und Frau aber auch nicht hervor. 

Auffällig ist außerdem die hohe Zahl der Teilzeitbeschäftigten. Im LGG-Geltungsbereich gehen 2020 36,6% einer Teilzeitbeschäftigung nach – während bei Frauen gut die Hälfte in Teilzeit (50,7%) arbeitet, ist die Teilzeitquote bei den Männern bei 15,8%. Der Bericht selbst gibt an (S. 33), dass „Teilzeit in der Regel zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Anspruch genommen wird.“ Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet, dass es im LGG-Geltungsbereich immer noch mehrheitlich die Frauen sind, die nach ihrer bezahlten Tätigkeit unbezahlte Care-Arbeit leisten, während die Männer verstärkt der bezahlten Tätigkeit nachgehen und damit sowohl ihre Aufstiegschancen verbessern als auch ihre Altersvorsorge absichern.

Leider weist der vorliegende Bericht nicht aus, warum Angestellte ihre Arbeitszeit reduzieren – mangelnde Betreuungsplätze, nicht auskömmliche Betreuungszeiten, Steuernachteile oder anteilig stark steigende Betreuungskosten sind als Gründe vorstellbar. Um sinnvolle Maßnahmen zur tatsächlichen Umsetzung des LGG auf den Weg zu bringen, wären diese Informationen in einem Gleichstellungsbericht aber essenziell. Klar ist außerdem nicht, wie die im Bericht vertretenen Institutionen und Mehrheitsgesellschaften Vollzeit definieren und ob stets derselbe Stundenanteil in Vollzeit geleistet werden muss. Unklar bleibt auch, ob die Angestellten in Teilzeit freiwillig oder unfreiwillig in Teilzeit arbeiten oder keine Wahl haben und sich in der Teilzeitfalle befinden. 

Einen, nach dem Ausweis vieler Studien entscheidenden Punkt, berührt der Bericht nicht: Aussagen zum Umgang mit dem Thema Überstunden fehlen völlig. Die Erfahrung lehrt, dass zwar aus Vereinbarkeitsgründen die Arbeitsstundenzahl reduziert wird, die anfallende Arbeit aber innerbetrieblich nicht etwa auf mehrere Schultern neu verteilt oder zusätzliches Personal akquiriert wird, sondern oft in Form von wachsender Belastung während der Regelarbeitszeit oder in Form von Überstunden abgeleistet wird. Aus dem eigentlichen entlastenden Teilzeitmodell wird so eine zusätzlich belastende Teilzeitfalle.

Vor dem Hintergrund der offenen Punkte fragen wir den Senat:

  1. Welche Gründe nennen die im Bericht genannten und in Teilzeit arbeitenden Angestellten für ihre Teilzeitbeschäftigung (bitte nach Geschlechtern getrennt ausweisen)?
  2. Wie viele der im Bericht genannten und in Teilzeit arbeitenden Angestellten arbeiten freiwillig in Teilzeit und wie viele würden ihre Stundenzahl gern erhöhen (bitte nach Geschlechtern getrennt ausweisen)?
  3. Welche Faktoren werden von den im Bericht genannten und in Teilzeit arbeitenden Angestellten genannt, die ihnen eine Aufstockung der Stundenzahl oder das Arbeiten in Vollzeit ermöglichen würden (bitte nach Geschlechtern getrennt ausweisen)?
  4. Welche unterschiedlichen Vereinbarungen (Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen) gibt es zum Thema Arbeitszeit?
  5. Welche Flexibilitätsvereinbarungen zum Themenfeld Arbeitszeit gelten im öffentlichen Dienst und bei den im öffentlichen (Mehrheits-)Besitz befindlichen bremischen Gesellschaften?
  6. Welcher Stundenumfang umfasst jeweils im öffentlichen Dienst und bei den im öffentlichen (Mehrheits-)Besitz befindlichen bremischen Gesellschaften das Arbeiten in Vollzeit?
  7. Mit welchen Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Arbeitsbelastung von den im Bericht genannten und in Teilzeit arbeitenden Angestellten nicht erst durch die Teilzeitarbeit anwächst, weil die anfallende Arbeit nicht im gleichen Maß reduziert wird?
  8. Welche Anstrengungen werden tatsächlich unternommen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu steigern?
  9. Stehen den im Bericht genannten und in Teilzeit arbeitenden Angestellten jeweils die gleichen Fortbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten offen (auch im Umfang) wie den in Vollzeit Angestellten – wenn nein, warum nicht?
  10. Welche Anstrengungen werden unternommen, im männlichen Teil der Angestellten dafür zu werben, die Stunden zugunsten von einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu reduzieren und ggf. dem Partner/der Partnerin eine Erhöhung der Stundenzahl zu ermöglichen?
  11. In welchen Bereichen wird geteilt geführt und wird diese Option bei Aufstiegs- und Entwicklungsgesprächen regelhaft eröffnet?
  12. Die Frauenquote fällt in den Themenbereich „Qualifizierung für ein Amt der Besoldungsgruppe A14“ sowie in der Gruppe „Berufsbegleitender Masterstudiengang Entscheidungsmanagement“ auf 32,9% bzw. 40% ab – womit ist der Rückgang in den hochqualifizierten Bereichen begründet und wie wird versucht, diese zu steigern?
  13. Plant der Senat, die Berichtsstruktur hinsichtlich der in der Kleinen Anfrage zusätzlich eröffneten Themen zukünftig anzupassen – wenn ja, in welchen Bereichen, wenn nicht, warum nicht?