Hat der Senat Schulverweigerinnen und Schulverweigerer im Blick?

Kleine Anfrage der Fraktion der FDP.

Im vergangenen Jahr haben verschiedene Kommunen in Norddeutschland beklagt, dass die Zahl der schulverweigernden Kinder und Jugendlichen nach Corona dramatisch angestiegen sei. Dieser Eindruck deckt sich mit den Daten einer von der Robert Bosch Stiftung in Auftrag gegebenen repräsentativen Forsa-Umfrage, nach der 2021 etwa 26 Prozent der bundesweit befragten Lehrenden einem Anstieg von Schulabsentismus nach 2020 beobachten. 

Vergleichbare Beobachtungen macht auch die Fachstelle Schulvermeidung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für die Region Hannover. Hier beklagt man nicht nur die Zunahme des Phänomens Schulvermeidung, sondern auch die Tatsache, dass die Kinder und Jugendlichen viel zu lange nicht erreicht würden und Hilfe deshalb oft viel zu spät greifen kann. Während der Wellen von Corona und Erkältungskrankheiten, in denen viele Schülerinnen und Schüler aus gesundheitlichen Gründen Zuhause bleiben müssen, fällt es viel zu selten auf, dass Kinder und Jugendliche eventuell auch aus anderen Motiven Zuhause bleiben. 

Schulverweigerung ist immer multifaktoriell begründet. Es sind die Lebensgewohnheiten der Schülerinnen und Schüler und ihrer Familien, die Schule selbst oder die Peer Group der Jugendlichen, die schulvermeidendes Verhalten bedingen. Multifaktorielle Ursachen erfordern als Reaktion immer auch ein multifaktorielles Präventions- bzw. Interventionskonzept. Geht man davon aus, dass unterrichtsvermeidende Verhaltensmuster komplexe Prozessverläufe haben, ist ein professionsübergreifendes Handeln erforderlich, um gefährdeten Kindern und Jugendlichen wieder Entwicklungschancen zu eröffnen und sie wieder in den Bildungsprozess zu integrieren. 

Vor dem Hintergrund der offenen Punkte fragen wir den Senat:

  1. Ab wann spricht der Senat bei schulabsenten Verhaltensmustern von Schülerinnen und Schülern von sog. Schulverweigerinnen und – verweigern?
  2. Wie viele Fälle von Schulverweigerung sind dem Senat in den Schuljahren 2020/2021, 2021/2022 und im laufenden Schuljahr jeweils bekannt (bitte nach Geschlecht und Alter unterscheiden)?
  3. Wie schätzt der Senat die Wahrnehmung der Meldepflicht von schulverweigerndem Verhalten ein?
  4. Können Personenkreise identifiziert werden, die besonders häufig schulverweigerndes Verhalten zeigen und wenn ja, werden auf diese Schülerinne und Schüler spezifische Präventionsprojekte zugeschnitten – wenn ja, welche sind das?
  5. Welche Erziehungsmittel kamen in den bekannten Fällen von Schulverweigerung zur Anwendung und wer trug jeweils die Entscheidungshoheit über diese, in welchem Umfang wurden Ordnungsmaßnahmen verhängt?
  6. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Polizei bei Schulpflichtverletzungen und in wie vielen Fällen wurde durch die Polizei eingegriffen?
  7. Besteht ein Zusammenhang zwischen schulverweigerndem und kriminellem Verhalten und wenn ja, welche präventiven sowie kurativen Hilfs- und Unterstützungsangebote greifen in diesen Fällen?
  8. Welche Ursachen können für das Phänomen Schulverweigerung identifiziert werden, wie verteilt sich ihre Häufigkeit und worauf beruht die Einschätzung?
  9. Welche Unterstützungsmaßnahmen stehen den Kindern und Jugendlichen offen und wie lange sind jeweils die Wartezeiten für Hilfsangebote?
  10. Mit welchen Modellprojekten und systematischen Hilfesystemen reagiert der Senat auf schulverweigerndes Verhalten, wie bewertet er den Erfolg dieser Angebote auf Grund welcher Kriterien?
  11. Welche der in Frage 10 genannten Angebote nehmen Rücksicht auf die multifaktoriellen Ursachen und sind als ursachenspezifische Interventionskonzepte zu verstehen?
  12. Ist der Umfang der in Frage 10 genannten Angebote ausreichend oder wo sieht der Senat Anpassungsbedarf in der Struktur und im Umfang der Angebote?
  13. Unterscheidet der Senat zwischen der Verweigerung des Schulbesuchs und der Verweigerung des Unterrichts trotz physischer Teilnahme am Unterricht? Wenn ja, welche Hilfsangebote eröffnen die Schulen in letzterem Fall a) den Kindern und Jugendlichen und b) den Lehrenden?
  14. Wie plant der Senat zukünftig auf schulvermeidendes Verhalten zu reagieren und welche Angebote müssen auf Grund bisheriger Erfahrungen angepasst werden?