Stärkung eines zeitgemäßen, attraktiven Arbeitsplatzes Schule für unsere Lehrkräfte

Antrag der Fraktion der FDP Bremen.

Mehr als 360 Lehrkräfte haben laut der Senatorin für Kinder und Bildung in den vergangenen zehn Jahren ihren Schuldienst in Bremen gekündigt. Diese Lehrkräfte könnte unser Land mehr als gebrauchen, denn zu Beginn des aktuellen Schuljahres 2023/24 fehlten laut Bildungsbehörde ganze 156 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen. Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen insbesondere das Erfordernis einer konkreten Erfragung der Gründe für die Eigenkündigung und eine anschließende Evaluation. Denn jede Lehrkraft, die das System Schule verlässt, ist eine Lehrkraft zu viel für unsere Schulen in Bremen und Bremerhaven.
Eine valide Ursachenforschung für die Entwicklungen bleibt von Seiten der Senatorin für Kinder und Bildung jedoch weiterhin aus. Dabei dürfte die Entscheidung, aus einem ursprünglich sicheren, familienfreundlichen Beruf auszuscheiden, für die meisten eine schwerwiegende sein.

Die Nachfrage der Gründe für die Eigenkündigungen der Lehrkräfte beantwortet die Schulbehörde unspezifisch. U.a. sei eine geringere Unterrichtsverpflichtung in anderen Bundesländern ursächlich. Es ist daher naheliegend, dass unsere Lehrkräfte ihren Job in Bremen kündigen, wenn sie u.a. im wenig entfernten, angrenzenden Niedersachsen weniger Pflichtstunden unterrichten müssen und über ein freiwilliges Arbeitszeitkonto verfügen, auf dem sie Freistellungszeiten ansparen können. Eine Gymnasiallehrerin, die in der Sekundarstufe I eingesetzt ist, arbeitet in Bremen 27 Wochenstunden, wohingegen sie in Niedersachsen nur 23,5 Wochenstunden arbeitet. Auch finanzielle Vorteile nannte der Senat als Gründe für Eigenkündigungen. Die Vergütung unserer Lehrkräfte scheint die Arbeitsbedingungen, mit denen sie täglich konfrontiert sind, nicht angemessen aufzuwiegen. Vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels ist es heute wichtiger denn je, die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schule zu stärken und von Maßnahmen, die sich negativ auf die Arbeitsplatzattraktivität auswirken können, abzusehen. So gewinnt das Land Bremen nicht nur keine neuen Lehrkräfte, sondern verliert dringend benötigtes Personal aus dem System Schule. Der Fokus sollte auf Lösungen liegen, die für Entlastung sorgen und Kreativität vor Ort begünstigen. Dazu muss sich der Senat intensiv mit den Ansprüchen der Menschen, die sich für den Beruf interessieren und den Lehrkräften, die aktuell an unseren Schulen tätig sind, auseinandersetzen. Zudem ist es unabdingbar, die Gründe der Eigenkündigungen angemessen zu evaluieren und das System Schule dementsprechend für Lehrkräfte zu verbessern.

Eine weitere Stellschraube, die es zu drehen gilt, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes Schule zu erhöhen, ist eine Stärkung der Schulautonomie. Die Bedarfe der Schulen sind ebenso divers wie die Schulstandorte in Bremen und Bremerhaven. Schulen sollten daher ein selbstverwaltetes Budget erhalten, mit welchem jede Schulleitung die für ihre Schule notwendige Unterstützung selbst organisieren kann. Besonders in diesen herausfordernden Zeiten, müssen die Schulen vor Ort selbstständig entscheiden können, um schneller und unbürokratischer bedarfsorientierte Maßnahmen zu treffen. Es ist höchste Zeit, die Rahmenbedingungen für einen zeitgemäßen, attraktiven Arbeitsplatz Schule zu schaffen.

Beschlussempfehlung:
Die Bremische Bürgerschaft fordert den Senat auf,

  1. ein Konzept für die Umsetzung eines Lebensarbeitszeitkonto für Lehrkräfte,
    auf dem personenbezogenes Zeitguthaben für Freistellungszeiten angespart
    werden kann, zu erstellen und umzusetzen.
  2. sich ein umfassendes Bild zu machen, aus welchen Gründen der Lehrerberuf
    für viele Menschen offenbar nicht mehr leistbar ist oder gar nicht erst ergriffen
    wird und zu diesem Zwecke detailliert
    2.1 zu ermitteln, welche Gründe hinter den Kündigungen von Lehrkräften im Land Bremen stehen;
    2.2 zu ermitteln, welche Gründe hinter der Reduzierung der Wochenarbeitszeit von Lehrkräften im Land Bremen stehen;
    2.3 zu ermitteln, warum Lehrkräfte dienstunfähig werden;
    2.4 die Zahl der Studienabbrecher/Wechsler im Lehramtsstudium und
    dahinterliegende Gründe zu ermitteln.
  3. sich ein umfassendes Bild über notwendige Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen zu machen, um diese zeitgemäßer zu gestalten, zum Beispiel
    durch Befragungen von Lehrkräften.
  4. zu prüfen, inwiefern das Konzept Unterrichtsversorgung, um Maßnahmen er-
    gänzt werden kann, die die Lehrkräfte entlasten, so u.a.
    4.1 Einstiegsgehälter für Seiteneinsteiger attraktiver gestalten;
    4.2 angemessene Vergütung für Vertretungslehrkräfte;
    4.3 mit passenden Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen
    den Eintritt sowie Verbleib im Schuldienst attraktiver machen;
    4.4 Einstellungsmöglichkeiten für Praxislehrkräfte auf Honorarbasis in
    der Stadt Bremen schaffen, die einzelne Kurse übernehmen könn-
    ten;
    4.5 eine kritische Überprüfung der Lehrpläne hinsichtlich einer möglichen Entschlackung;
    4.6 Stellen für Schulverwaltungsassistenz ausbauen und den Einsatz
    ohne Einbringen von Leitungszeit und Anrechnungsstunden er-
    möglichen;
    4.7 Informationstechnische Assistenten an jeder Schule einzustellen,
    die den IT-Support übernehmen,
    4.8 finanzielle Ressourcen für die autonome Einstellung unterstützen-
    den Personals durch die Schulen schaffen.
  5. ein Konzept zu einem modernen Arbeitsplatz Schule entwickeln, welches u.a.
    folgende Aspekte umfasst:
    5.1 zeitgemäße Pflichtstunden für Lehrkräfte;
    5.2 zeitgemäße Arbeitsplatzausstattung für Lehrkräfte;
    5.3 Stärkung der Schulleitungen, z. B. durch Ermöglichung von zwei auf-
    geteilten Leitungsstellen (Pädagogik/Administration) etablieren;
    5.4 Stärkung der Schulautonomie durch mehr pädagogische, personelle
    und finanzielle Freiheiten für die Schulen, z. B. mit mehr selbstverwaltetem Budget;
    5.5 Aufwandsentschädigung in den Praxissemestern des Lehramtsstudiums orientiert am BAföG;
    5.6 den berufsbegleitenden Master of Education und Vorbereitungsdienst
    für alle Schulformen und Bildungsgänge ermöglichen;
    5.7 mehr Praxisbezug im Studium, damit Studierende eine realistische
    Vorstellung ihrer Tätigkeit bekommen und besser vorbereitet in das
    Referendariat eintreten;
    5.8 den Vorbereitungsdienst zeitgemäßer, praxisorientierter und passgenauer gestalten, auch hinsichtlich übergreifender schulischer Herausforderungen wie Inklusion, Integration oder Digitalisierung.
  6. der Deputation für Kinder und Bildung innerhalb von sechs Monaten ab Beschlussfassung einen Bericht zu erstatten, in welcher Form und mit einem
    Zeitplan hinterlegt, die Beschlusspunkte umgesetzt werden können.