Digitale Bildung als Querschnittsaufgabe modernen Lernens

Antrag der Fraktion der FDP.

Die Diskussion um die Frage, ob das deutsche Schulsystem ein Pflichtfach Informatik braucht, reißt nicht ab. Dahinter steht die berechtigte Frage, wie man Schülerinnen und Schüler optimal auf die digitale Welt vorbereitet. Alle Lebensbereiche zeichnen sich durch eine fortschreitende Digitalisierung aus. Dabei geht es nicht um die reine Lehre der Informatik, die seit mehr als 50 Jahren als Wissenschaft, die sich mit der automatischen Verarbeitung von Daten beschäftigt, etabliert ist. Will man Digitalisierung verstehen und nutzen, braucht die aufgeklärte Gesellschaft ohne Zweifel informatorische Bildung. Die digitale Mündigkeit des Bürgers ist in Zeiten von wachsendem Populismus und Fake News eine der zentralen Bildungsaufgaben. Das beginnt beim Hinterfragen von vermeintlichen Informationen sowie der Überprüfung von Datengrundlagen und endet bei der aktiven Problemlösung mit digitalen Hilfsmitteln.

Herausforderung im Rahmen fortschreitender Digitalisierung ist es deshalb, digitale Kompetenz als Querschnittsaufgabe in allen Lebens- und damit auch in allen Lernbereichen zu etablieren. Internetrecherchen, Präsentationen und das Erstellen von Dokumenten sind klassische Anwendungen digitaler Kompetenzen in allen Fachbereichen und damit Teil eines fachübergreifenden Curriculums. Dem Nutzen einer fortschreitenden Digitalisierung kann so Rechnung getragen werden. Die Frage, ob es dafür tatsächlich grundlegender Informatikkenntnisse bedarf – etwa dem Erstellen von Algorithmen – ist dabei zentral. Unbestritten brauchen wir zukünftig digitale Experten, die über entsprechende Kenntnisse verfügen. Diese können sie in der Schule und aus eigenem Antrieb erwerben, sie sind aber auch Teil umfassender Bildungs- und Ausbildungsformate, für die man sich bewusst entscheidet und die eine Lebensbiografie prägen. Um aber neue Medien sinnvoll zu nutzen oder eine kritische Grundhaltung gegenüber Informationen einnehmen zu können, sind diese vertieften Kenntnisse jedoch zunächst sekundär. Damit geht es mit Blick auf die schulische Wirklichkeit nicht primär um die Informatik im engeren Sinne, sondern auch um Medienbildung und interdisziplinäre Anwendungen in allen Fächern. Informatik kann dabei zum systemischen Element werden, die Erfahrungen in der technologisierten und digitalisierten Welt in einen fachlichen Zusammenhang zu stellen. Es bedarf also Lehrerinnen und Lehrer, die Zeit und Kenntnis haben, eben diese Fragestellungen in den verschiedensten Kontexten und Fächern mit den Schülerinnen und Schülern zu thematisieren. Diesen fächerübergreifenden Ansatz im Bereich Informatik legen auch die Ergebnisse der International Computer and Information Literarcy Study von 2018 nahe. 

Angesichts des enormen Fachkräftemangels ist die Diskussion um ein singuläres Schulfach Informatik ohnehin theoretisch. Spezialisten der Informatik sind eine der meistgesuchten Berufsgruppen und führen in der freien Wirtschaft harte Gehaltsverhandlungen. Lehrerinnen und Lehrer sind in allen MINT-Fächern bundesweit Mangelware. Es stehen also keinesfalls ausreichend Informatiklehrkräfte oder potenzielle Quereinsteiger ins Lehramt zur Verfügung, um den Bedarf eines eigenen Schulfaches zu decken. Statt die Stundentafeln mit immer mehr neuen Fächern aufzufüllen, brauchen wir eine Debatte darum, welche Kernthemen zusammengefasst werden können und welche angesichts moderner Informations- und Bildungsmöglichkeiten obsolet geworden sind. Ziel zukunftsorientierter Bildungspolitik muss das Arbeiten an thematischen Schwerpunkten werden, die in intensiven Projektphasen vertieft werden und in denen digitale Methoden zur Anwendung kommen. Probleme mit Hilfe digitaler Mittel zu beschreiben und zu lösen, definiert dabei das Lernziel jeder Einheit. Gleichzeitig gilt es zu prüfen, inwieweit das Wissen zu informatischen Algorithmen und zum Verstehen des binären Systems ohnehin Teil der Mathematik sein können und über das Fach permanent und vertieft abgebildet werden.

Vor diesem Hintergrund sind die Untersuchungen der chinesischen Wissenschaftlerin Yuhyun Park interessant. Sie hat acht Fähigkeiten (Digital Intelligence) identifiziert, die für Kinder relevant sind, eben weil sie in einer technologisierten Gesellschaft früh mit Medien jeder Art in Kontakt kommen.  Diese Fähigkeiten reichen etwa vom Screen Time Management, über die Digital Citizen Identity bis hin zum Digital Footprint Management, zur Digital Empathie und zum Critical Thinking. Auch Privacy Management und Cyber Security Management sind dabei zentrale Kompetenzbereiche. Diese notwendigen Fähigkeiten lassen erahnen, wie anpassungsfähig Lehrpläne sein müssen. Nicht mehr ein klassischer Bildungskanon ist das Ziel, sondern Ziel muss es sein, im Sinne eines continious improvement neue Chance für alle Beteiligten zu eröffnen. Dafür müssen alle Lehrenden über Medienkompetenz verfügen und digitale Medien im jeweiligen Fachunterricht professionell und didaktisch sinnvoll einsetzen. Die Kompetenzförderung bei Lehrenden, die ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag in einer digitalen Welt verantwortungsvoll ausfüllen wollen, muss dabei integraler Bestandteil der pädagogischen Ausbildung werden und alle Phasen der Aus- und Fortbildung dominieren. 

Beschlussempfehlung:

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf:

  1. In einem Expertengipfel innerhalb der nächsten sechs Monate zu beraten, welche Veränderungen die Herausforderungen des Lernens in einer digitalen Schulwelt für den Unterricht im Bereich der Lehramtsausbildung und der Fortbildung von Lehrenden haben sowie zu diskutieren, wie langfristig die Neuorganisation der Stundentafel hinsichtlich der Ausbildung digitaler Querschnittskompetenzen erfolgen kann.
  2. Auf Basis dieses Gipfels eine Empfehlung zu erarbeiten, die die kurz- und langfristigen Ziele für den Bildungsbereich zum Umgang mit informatorischem und digitalem Wissen im Land Bremen definiert und klar umreißt, welche Veränderungen im Rahmen der Kultusministerkonferenz thematisiert werden müssen.
  3. Unmittelbar nach dem Gipfel der Deputation für Kinder und Bildung über die Ergebnisse und die in Folge zu veranlassenden Schritte zu berichten.