BSG-Urteil zur Versicherungspflicht von Honorarkräften: Freiberuflichkeit an Bremer Weiterbildungseinrichtungen sichern
Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FDP Bremen.
Im Juni 2022 befand das Bundessozialgericht (BSG), dass eine auf Honorarbasis beschäftigte Musiklehrerin, die auf Festanstellung klagte, tatsächlich abhängig beschäftigt sei.
Obwohl es sich bei dem Urteil um einen Einzelfall handelt, gilt es dennoch als richtungsweisend – und die Beschäftigung freier Lehrkräfte in Weiterbildungseinrichtungen seitdem als rechtlich unsicher. Insbesondere Volkshochschulen mit ihren überwiegend freiberuflichen Lehrkräften stehen unter Druck, weil das Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung (DRV) immer häufiger zu dem Ergebnis kamen, dass eine Selbstständigkeit nicht gegeben sei.
Infolgedessen haben beispielsweise in Berlin zahlreiche Volkshochschulen bzw. Bezirksämter als Träger der Volkshochschulen wegen der unklaren Rechtslage und der damit einhergehenden rechtlichen Bedenken keine neuen Honorarverträge mehr abgeschlossen – mit fatalen Folgen für die Bildungseinrichtungen, denen damit auf absehbare Zeit die Dozenten auszugehen drohen.
Auch der Senat räumt ein, dass der bisherige Umgang der Rentenversicherungsträger mit dem sogenannten Herrenberg-Urteil erkennen ließe, dass es zu weitreichenden Konsequenzen für den Weiterbildungsbereich kommen könnte und derzeit keine Alternative zum Einsatz von Honorarkräften im Bereich der Bildung und Weiterbildung gesehen werde. So wäre bspw. die vollständige Erbringung des Unterrichts durch festangestellte Lehrkräfte für die Volkshochschulen in Bremen und Bremerhaven gar nicht denkbar.
Um die Frage des „Erwerbsstatus von Lehrkräften“ zu klären, wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Dialogprozess mit verschiedenen Arbeitsgruppen auf den Weg gebracht, die sich in die Bereiche Integrations- und Berufssprachkurse, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und berufliche Bildung sowie Musikschulen, Volkshochschulen und Gesundheit aufgliedern. Auch angesichts der Vielzahl betroffener Bereiche wird deutlich: Ohne selbstständige Lehrkräfte drohen weite Teile des Bildungswesens zum Erliegen zu kommen.
Für Unzufriedenheit bei den Trägern sorgt der Umgang mit dem von der DRV vorgegebenen Kriterienkatalog für eine unternehmerische Tätigkeit und der Vorbehalt einer abschließenden Einzelfallbewertung durch die DRV, wodurch die Verfahren mit Rechtsunsicherheiten, Bürokratie und Wartezeiten verbunden sind. Auch drohen Anbietern nicht nur für das laufende Jahr, sondern auch rückwirkend hohe Nachzahlungen.
In der Praxis können Lehrkräfte Kurse vielfach nicht frei gestalten, sondern haben – wie bspw. im Bereich der Bildung und Weiterbildung– zur Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit des Angebots Vorgaben und Standards zu erfüllen. Dadurch sind – wie zunächst angestrebt – Anpassungen der vorhandenen Organisationsmodelle nur bedingt umsetzbar und Anstellungen mit Blick auf die Mehrzahl der gerne und freiwillig Selbständigen auch gar nicht gewünscht.
Bislang wurde keine nachhaltige Lösung gefunden, die eine rechtssichere Tätigkeit freiberuflicher Lehrkräfte ermöglicht und das bestehende Kursangebot in seiner derzeitigen Flexibilität sichert. Ein Moratorium, das im Rahmen des Dialogprozesses mit der DRV geschlossen wurde, endete zum 15. Oktober 2024, wodurch Betriebsprüfungen wieder möglich sind. Verbände und Akteure der Bildung und Weiterbildung, wie der Rat der Weiterbildung (KAW) und seine Mitgliedsorganisationen, kritisieren die Praxis der Einzelfallentscheidungen und sehen den Bundesgesetzgeber in der Pflicht, für Rechtssicherheit zu sorgen.
Angesichts des Festhaltens der DRV an ihrer schematischen Betrachtung und der bislang ergebnislos verlaufenden Fachgespräche auf Bundesebene ist nunmehr eine schnelle Reform des Statusfeststellungsverfahrens mit klaren gesetzlichen Positivkriterien erforderlich, um dauerhafte Rechtssicherheit für die Beschäftigung von Freiberuflichen zu gewährleisten. So ließe sich schon vor Beschäftigungsbeginn einfach und zweifelsfrei klären, ob eine selbständige oder abhängige Tätigkeit vorliegt. Die Neureglung sollte zudem eine neutrale Stelle für die Statusfeststellung vorsehen, um Interessenkonflikte zukünftig zu vermeiden.
Beschlussempfehlung:
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
- um Rechtssicherheit für die Beschäftigung von Freiberuflichen einfach und zweifelsfrei zu gewährleisten, sich auf Bundesebene für eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens einzusetzen, die
a. klare gesetzliche Positivkriterien umfasst sowie
b. zudem eine neutrale Stelle für die Statusfeststellung vorsieht, um Interessenkonflikte zukünftig zu vermeiden. - der staatlichen Deputation für Kultur und der staatlichen Deputation für Arbeit sechs Monate nach Beschlussfassung zu berichten.