Ärztemangel: Bremen muss Attraktivität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf steigern
Antrag der Fraktion der FDP Bremen.
Die drohende ärztliche Unterversorgung, die der zuständige Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im Land Bremen am 10. September 2024 bei Hausärzten, Hautärzten, Kinder- und Jugendmedizinern sowie bei Kinder- und Jugendpsychiatern in Bremerhaven festgestellt hat, ist ein Weckruf. Es ist an der Zeit, neben bereits bestehenden Förderungen und Sicherstellungs-zuschlägen endlich neue Ideen und Konzepte zur Verbesserung der ärztlichen Ver¬sorgung umzusetzen. Dazu gehört bspw., die ärztliche Berufsausübung und Weiterbildung nicht durch fehlende Kita-Plätze zu beeinträchtigen.
Rein rechnerisch herrscht im Land Bremen kein Ärztemangel. Im Vergleich der Bundesländer weist das Land für die Jahre 2019 bis 2023 sogar mit die höchste Arztdichte auf. Auch gemäß der Bedarfs¬planungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausausschusses besteht für die Planungsbezirke Bremen und Bremerhaven keine Unterversorgung. Und doch haben Patienten in beiden Stadtge¬meinden zum Teil große Probleme, zeitnah einen Arzttermin zu erhalten oder eine Praxis zu finden, die neue Patienten aufnimmt. Was zur Folge haben kann, dass sich die Menschen nicht anders zu helfen wissen und kurzerhand die Notaufnahmen der hiesigen Kliniken aufsuchen und so zu deren Überlastung beitragen.
Wie unterschiedlich die ärztliche Versorgungslage je nach Fachrichtung und Stadtteil sein kann, zeigen die Betrachtungen der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen (KVHB). So sind bspw. bei der hausärztlichen Versorgung die Bremer Stadtteile Oberneuland mit einem Versorgungsgrad von 54,3 Prozent und Woltmershausen mit 44,4 Prozent sowie in Bremerhaven der Stadtteil Leherheide mit 53,3 Prozent deutlich schlechter versorgt.
Wie aus der Antwort des Senats vom 04. Juni 2024 auf die Anfrage der FDP-Fraktion „Welche Demografie-Strategie verfolgt der Senat in der ärztlichen Versorgung?“ (Drs. 21/592) hervorgeht, ist ferner zu berücksichtigen, dass der Anteil der über 60jährigen Ärzte im Land Bremen etwa 25 Pro¬zent beträgt und demnach zahlreiche Ärzte der Babyboomer-Jahrgänge in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen werden. Zugleich ist absehbar, dass angesichts des demografischen Wandels die Zahl der alten Patienten mit höherem Behandlungsbedarf weiter steigen wird.
Allerdings werden zukünftig deutlich mehr Ärzte benötigt, um die entstehenden Lücken zu schließen und eine Vollzeitstelle abzubilden, da der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Ärzte zunimmt, und seit 2013 ein Plus von 235 Prozent zu verzeichnen hat, wie die Arztzahlstatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für das Jahr 2023 zeigt.
Hinzu kommt eine weitere wichtige Entwicklung, die aus der KBV-Arztzahlstatistik hervorgeht: Der steigende Anteil von Frauen in der Ärzteschaft, der im Jahr 2023 einen Anteil von 51,5 Prozent erreicht hat.
Auch bei den Studierenden im Fach Humanmedizin hat der Anteil der Frauen seit 2011 kontinuierlich zugenommen und lag im Wintersemester 2023/2024 bei fast 65 Prozent. Wenn also die Medizin immer weiblicher wird, wird zukünftig auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Ärzteschaft eine zunehmend größere Rolle spielen.
Dass vor allem die Bedingungen für junge Familien weiter verbessert werden müssten, um das Land Bremen als attraktiven Arbeits- und Lebensstandort für Mediziner zu positionieren, räumt der Senat in seiner Mitteilung (Drs. 21/794) vom 15. Oktober 2024 auf die Kleine Anfrage „Ärztegewinnung im Land Bremen: Medizinstudienplätze auswärtig fördern“ ein.
Doch was ist zu tun, damit dem Land Bremen nicht die Ärzte ausgehen und die Niederlassung ge-rade für junge Mediziner, die sich aussuchen können, wo und wie sie arbeiten, wieder an Attraktivität gewinnt?
Angesichts der drohenden ärztlichen Unterversorgung in einigen Fachgebieten in Bremerhaven haben sich regionale Krankenkassen und KVHB im September 2024 auf ein Förderpaket für diese Arztgruppen verständigt, das sowohl Halte- als auch Starterprämien für Ärzte vorsieht.
Die bisherige Inanspruchnahme bestehender Förderprogramme und Investitionskostenzuschüsse der KVHB und Krankenkassen zeigt hingegen, dass finanzielle Anreize nur bedingt die gewünschten Effekte erzielen. So wird bpsw. ein Förderprogramm für Hausärzte, das bestehenden Praxen in schlechter versorgten Stadtteilen seit dem Jahr 2022 einen finanziellen Zuschuss für die Aufnahme zusätzlicher Patienten gewährt, nur in geringem Umfang in Anspruch genommen.
Insbesondere die KVHB weist regelmäßig, so u.a. in der Sitzung des Regionalausschusses „Klinikum Links der Weser“ vom 19. September 2024, darauf hin, dass für Mediziner überwiegend nicht der finanzielle Aspekt entscheidend sei, sondern die Attraktivität des Standorts insgesamt. Die KVHB sieht deshalb im Wettbewerb mit anderen Regionen auch das Land und die Kommunen in der Verantwortung, sich ebenfalls bei der Medizinergewinnung einzubringen.
Beispielhaft ist aktuell das Bremerhavener Engagement, wo sich die Gesundheitsdezernentin für Unterstützung bei der Kitaplatz-Suche, Jobmöglichkeiten für Partner und Vereinfachungen bei Behördengängen einsetzt. Allerdings sollten konkrete Unterstützungsangebote verbindlich für Land und Kommunen gelten und nicht vom persönlichen Engagement einzelner Personen abhängen.
Eine verlässliche Kinderbetreuung ist ein wichtiger Standortvorteil und kann helfen, damit perspektivisch mehr Ärztinnen und Ärzte der benötigten Fachgebiete in Bremen und Bremerhaven praktizieren und mit ihren Familien leben. Sie ermöglicht es ihnen, im Beruf zu verbleiben, wieder einzusteigen oder ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Im Gegensatz zu Bremen und Bremerhaven nutzen andere Kommunen bereits das Potential, zur Stärkung der ärztlichen Versorgung gezielt Ressourcen und Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Um in diesem Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten, sind entsprechende Maßnahmen auch für das Land Bremen auf den Weg zu bringen.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
- die durch den Ärztemangel entstehenden Herausforderungen für die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven und die damit verbundene Notwendigkeit einer stärkeren Verein-barkeit von Familie und Beruf insbesondere für junge Ärzte anzuerkennen.
- darauf hinzuwirken,
a. dass fehlende Kita-Plätze die Berufsausübung und Niederlassung von Ärzten im Land Bremen nicht beeinträchtigen.
b. dass die für Bremerhaven bereits bestehende Unterstützung bei der Vermittlung von Kita-Plätzen auch in Bremen zur Anwendung kommt. - mit dem Landesgremium nach 90a SGB V (Gemeinsames Landesgremium) zu beraten,
a. wie zur Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung ein sektorenüber-greifendes Versorgungsmonitoring im Land Bremen etabliert werden kann, das Patienten¬bedarfe und vorhandene Strukturen abgleicht.
b. welche Ressourcen und welche Infrastruktur mit dem Ziel, insbesondere vulnerable Stadtteile attraktiv für Mediziner zu machen, darüber hinaus zur Verfügung gestellt werden können. - der staatlichen Deputation für Gesundheit, Pflege und Verbraucherschutz über die Ergeb-nisse sechs Monate nach Beschlussfassung und danach fortlaufend zu berichten.