Update für das Elterngeld

Antrag der Fraktion der FDP.

Das Elterngeld ist der „Erfolgsschlager“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Pressemitteilung des BMFSFJ vom 06.07.2018) und erfreut sich bei Eltern einer hohen Akzeptanz (BT-Drucksache 19/400). Allerdings hat das Elterngeld auch Schattenseiten für die Familien. Denn die positive Bewertung täuscht darüber hinweg, dass für viele Eltern die Umsetzung sowohl unpraktisch als auch nachteilig ist – wie es zwischen den Zeilen des Berichts der Bundesregierung (BT- Drucksache 19/400) sowie deutlicher in der zugrunde liegenden Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach (www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_studies/Allens- bach_ElterngeldPlus_Bericht.pdf, zuletzt eingesehen am 01.10.2018) zu lesen ist. Die Bundesregierung ruht sich auf dem Erreichten aus, statt folgerichtig den erheblichen Verbesserungsbedarf anzugehen.

Der Anspruch einer bürgerorientierten Familienpolitik muss sein, es den Eltern und Kindern stets leichter zu machen. Hier verfehlt die Bundesregierung deutlich das Klassenziel. Die zahlreichen Stolpersteine des Elterngeldes gilt es in einem Update zu korrigieren.

  • Grundlegende Verbesserungen

Das Elterngeld mit ElterngeldPlus und dem Partnerschaftsbonus ist zwar eine zentrale Familienleistung, zeitgleich ist die Antragstellung für die unterschiedlichen Elterngeldvarianten die komplizierteste Familienleistung – neben dem Kinderzuschlag – im Zuständigkeitsbereich des BMFSFJ. Seit Einführung des Elterngeldes 2007 – verstärkt mit der Erweiterung 2015 durch die Variante ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus – wird der bürokratische Aufwand, wie die Vielzahl an Dokumenten, das zu komplizierte Verfahren und umständliche Formulierungen, unter den wichtigsten Kritikpunkten geführt (www.bmfsfj.de/blob/76330/67d8e2c834a1304ca19f8df2ebb738f5/elterngeld-urteil-junge-el- tern-tabellenband-data.pdf, zuletzt eingesehen am 01.10.2018). So schreibt das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in der zwölfseitigen Informationsbroschüre zum Elterngeldantrag: „Die nachfolgenden Informationen sollen Sie bei der Antragsstellung unterstützen. Allerdings lässt es die Komplexität [] nicht zu, alle Informationen aufzunehmen.“ Durch diese Komplexität kommt es teilweise zu erheblichen Verzögerungen der Auszahlung an die Eltern, die bei einer Lohnersatzleistung wie dem Elterngeld zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten bei den Familien führen kann. Der Bund überträgt zwar im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung die Antragstellung an die einzelnen Länder, trotzdem trägt er die Verantwortung bei dieser zentralen Familienleistung des Bundes und muss die grundlegenden Weichenstellungen treffen. Deshalb muss es für die Eltern deutlich einfacher werden, das Elterngeld zu beantragen und so allen Berechtigten ihren gesetzlichen Anspruch zu ermöglichen.

  • Digitalisierung

Die Digitalisierung aller Teile des Antragsprozesses des Elterngeldes ist eine weitere Möglichkeit, das Elterngeld, ElterngeldPlus sowie die Partnerschaftsmonate grundlegend für die Eltern einfacher zu gestalten. So können Bürokratieabläufe und -kosten eingespart und damit grundsätzlich die sehr langen Bearbeitungszeiten von teilweise mehreren Monaten, die insbesondere für junge Familien und Alleinerziehende ein finanzielles Risiko darstellen, reduziert werden. Die Bundesregierung kommt allerdings seit Jahren in diesem Bereich nicht voran und vertröstet in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten im Bund auf das Jahr 2022 für digitale Anträge von Familienleistungen (BT-Druck- sache 19/3078).

Dabei kündigte das BMFSFJ bereits 2016 für das Frühjahr 2017 eine elektronische Übermittlung vom heimischen Rechner an die Elterngeldstelle an (www.bmfsfj.de/blob/113300/8802e54b6f0d78e160ddc3b0fd6fbc1e/10-jahre- elterngeld-bilanz-data.pdf, zuletzt eingesehen am 10.10.2018) und erneuerte im Laufe des Jahres 2017 das Versprechen, den Antrag für das Elterngeld „Schritt für Schritt“ als „eine der ersten bundesweiten Verwaltungsleistungen“ online – ergo vollständig elektronisch – einzuführen (www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/ presse/pressemitteilungen/digitales-familienministerium—informationstool-familienleistungen-unterstuetzt-eltern/117876, eingesehen am 01.10.18). Im Jahr 2018 wiederholte das BMFSFJ in einem jüngst erschienenen Tutorial zum digitalen Antragsassistenten des Elterngeldes die Ankündigung, dass diese zentrale Familienleistung auch „nach und nach“ elektronisch übermittelt werden könne (www.youtube.com/watch?v=l9SllryfeBE, zuletzt eingesehen am 01.10.18). Die Bundesregierung räumt hingegen auf Anfrage ein, dass das „ElterngeldDigital (…) sich aktuell noch in der Entwicklungs- und Erprobungsphase“ befindet, über eine „Pilotphase noch keine Erkenntnisse“ vorliegen und erst das „mittelfristige Ziel“ ein medienbruchfreier Antrag ist (BT-Drucksache 19/3078). Die Bundesregierung muss endlich diesen Prozess beschleunigen sowie innovative Verfahren – wie mögliche App-Lösungen – berücksichtigen und fördern, damit der zeitliche und organisatorische Aufwand für die Eltern, aber auch der zuständigen Behörden reduziert wird. Familienpolitik im 21. Jahrhundert muss jenseits von Informationsbroschüren und Onlinerechnern digital sein.

  • Partnerschaftsbonus

Mit der Weiterentwicklung des Elterngeldes wurde auch der Partnerschaftsbonus eingeführt, der grundsätzlich den Forderungen der Familien entspricht: Eine Mehrheit der Eltern wünscht sich eine partnerschaftliche Aufteilung der Zeit für Beruf und Familie (Pressemitteilung des BMFSFJ vom 20.02.2017) und eine deutliche Mehrheit der Väter will mehr Zeit für die Kinder haben (BMFSFJ, Väterreport 2018, S. 6). Aber die Bestimmungen und Voraussetzungen des Partnerschaftsbonus sind mangelhaft. Den Partnerschaftsbonus nahmen im Durchschnitt nur 10 Prozent der Beziehenden von ElterngeldPlus in Anspruch (BT-Drucksache 19/3533). Zum einen wird der Arbeitszeitkorridor für das eine Elternteil mit mindestens 25 Stunden pro Woche sehr hoch angesetzt und für das andere Elternteil selbst eine geringfügige Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit, die bereits mehr Zeit für die Kinder bedeutet, ausgeschlossen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass anstelle eines Teilzeitmodells beider Elternteile häufig der Vater allein berufstätig ist. Ein flexibleres Modell kann zu einer höheren Berufstätigkeit von Frauen führen und damit dem Gleichstellungsauftrag des Staates aus Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 entsprechen. Auch wollen Familien beim Elterngeld mehr Souveränität in der beruflichen Lebensgestaltung. Deshalb muss dieser zu enge Zeitkorridor des Partnerschaftsbonus für die Vielzahl der Arbeits- und Teilzeitmodelle, die Partnerschaftlichkeit zwischen den Elternteilen erlauben, erweitert werden.

Zum anderen besteht dringendster Handlungsbedarf – bestätigt auf Nachfrage durch die ehemalige Familienministerin Dr. Katarina Barley am 17.01.2018 im Plenum des Deutschen Bundestages – für Familien, bei denen Unvorhergesehenes wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit eintritt oder betrieblich angeordnete Mehrarbeit geleistet werden muss. Hier müssen die Eltern den gesamten Partnerschaftsbonus zurückzahlen, obwohl die persönliche Situation unverschuldet ist. Diese Fehler bei der Ausgestaltung des Parnterschaftsbonus muss die Bundesregierung schnellstmöglich korrigieren.

An diesen Punkten muss sich eine Verbesserung von Elterngeld, ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus für die Familien in Deutschland orientieren, damit es zu einem Ausbau der Inanspruchnahme besonders durch bisher unterrepräsentierte Gruppen führt (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten, BT-Drucksache 19/3533). Schließlich bleibt im Zwischenbericht der Bundesregierung offen, warum sich so viele Eltern – neben den angesprochenen Kritikpunkten – gegen den Bezug von Elterngeld, ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus entscheiden, da Nichtbeziehende nicht befragt wurden.

Die Verpflichtung gemäß § 25 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zur Erstellung eines Berichts über die Auswirkungen der Regelungen zum Elterngeld- Plus und Partnerschaftsbonus stellt nicht nur eine Berichtspflicht dar, sondern ist zeit- gleich Auftrag zur Fehleranalyse und zur Umsetzung von Verbesserungen.

Der Zwischenbericht verschleiert die notwendige Selbstkritik. Gute Politik muss jedoch selbstkritisch sein und für die Eltern dringende Korrekturen – ein Update für das Elterngeld – fokussieren und umsetzen. Deshalb gilt es, das Elterngeld für die Familien weiterzuentwickeln: Die Komplexität muss reduziert, der Antragsprozess digitalisiert und grundlegende Fehler müssen behoben werden. Alles andere ist politische Stagnation.

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene für eine Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes in folgenden Punkten einzusetzen:

1. Grundlegende Korrekturen des Elterngeldes

  • die mehrfach kritisierte Komplexität der Antragstellung von Elterngeld, ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus zusätzlich zu Hilfsmitteln wie Antragsassistenten, Elterngeldrechner und Informationsbroschüren/-portale zu reduzieren und die Anträge der einzelnen Länder als eine Leistung des Bundes zu vereinheitlichen,
  • eine Reduzierung der hohen Daten- und Nachweisanforderungen zu prüfen, um das Antragsverfahren zu automatisieren und zu vereinfachen und somit zu beschleunigen, zu erleichtern, da sich die Lebensrealitäten der Eltern durch verschiedene Umstände ändern können, die bei der Antragstellung noch nicht absehbar waren,
  • die deutlich zu langen Bearbeitungszeiten der Elterngeldanträge zu verkürzen, damit es nicht mehr zu Verzögerungen der Auszahlung dieser Lohnersatzleistung kommt, die besonders junge Familien und Alleinerziehende in finanzielle Nöte bringen kann,
  • die Bundeshaushaltsordnung und die einschlägigen Verwaltungsvorschriften dahingehend zu überarbeiten, dass das Vier-Augen-Prinzip bei der Freigabe von Zahlungen erst ab einer Gesamtsumme im Leistungszeitraum von mehr als 12.500 Euro bzw. bei Einmalzahlungen ab einer Höhe von 5.000 Euro greift; dies würde zu einer erheblichen Entlastung der kommunalen auszahlenden Stellen und einer beschleunigten Bearbeitung von Anträgen führen,
  • die Verständlichkeit der Antragstellung sprachlich durch Übersetzungen oder „Leichte Sprache“ zu erhöhen, damit die Hürden der Beantragung für Nichtmuttersprachler und Menschen mit Behinderungen weiter gesenkt werden können;
  •  die Basiselterngeldmonate von 14 auf 18 Monate zu verlängern, wenn die Eltern nicht gleichzeitig das Elterngeld in Anspruch nehmen, wobei die maximalen Elterngeldmonate pro Partner dabei bei 12 Monaten bleiben;
  • die Dynamisierung des Mindest- sowie Höchstbetrages des ElterngeldPlus und des Elterngeldes – angepasst an die Entwicklung des allgemeinen Verbraucherindex – in das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzt aufzunehmen.

2. Digitalisierung des Elterngeldes

  • dem „Umsetzungskonzept Digitalisierung familienbezogener Leistungen“ für das Elterngeld als beliebteste Familienleistung und der Einführung eines onlinebasierten Elterngeldantrags (EAO) höchste Priorität einzuräumen
  • einen detaillierten Zeitplan zu veröffentlichen, der darlegt, in welcher Phase der Implementierung einer direkten digitalen Übermittlung des gesamten Elterngeldantrags sich der Prozess der Digitalisierung dieser Familienleistung befindet,
  • die Länder bei der Vereinheitlichung der bestehenden Fachverfahren (ELGID, EGPlus, Egon, Isebella, etc.) zu unterstützen, damit ein bundeseinheitliches Verfahren in den Ländern erreicht wird, um Ressourcen zu sparen, und gleichzeitig Eltern im Falle eines Umzugs problemlos online Änderungen mitteilen können,
  • den Datenaustausch zwischen den Behörden nach Zustimmung der Eltern zu automatisieren,
  • innovative Lösungen wie die Entwicklung von Apps für Eltern zu fördern, um sowohl Familien als auch Behörden zu entlasten und die Vorteile der Digitalisierung unter Wahrung des Datenschutzes zu nutzen;

3. Partnerschaftsbonus

  • die starren Zeitkorridore des Partnerschaftsbonus von derzeit 25 bis 30 Stunden pro Woche zu flexibilisieren, damit individuelle Teilzeitlösungen der Mütter und Väter, die den Gedanken der Partnerschaftlichkeit tragen, ebenfalls möglich sind,
  • den Zeitkorridor des Partnerschaftsbonus von derzeit 25 bis 30 Stunden für Alleinerziehende anzupassen, damit die Situation von Alleinerziehenden nicht nachteilig aufgrund des Zeitkorridors ist,
  • die Rückzahlungsmodalitäten des Partnerschaftsbonus anzupassen, so dass Arbeitslosigkeit, Krankheit und andere unverschuldete oder unvorhersehbare Änderungen in der Lebensplanung nicht zu einer vollständigen Rückzahlung führen.

4. Weiterentwicklung und Evaluation

  • nach Ablauf weiterer zwei Jahre – beginnend mit der Vorlage des Zwischenberichts (BT-Drucksache 19/400) – eine weitere Untersuchung durchzuführen, die auch die Gründe von Nichtbeziehern der jeweiligen Elterngeldvarianten ergründet,
  • zeitgleich in diesem Bericht das selbst formulierte Ziel der Weiterentwicklung des Elterngeldes, namentlich die Vereinbarung von Familie und Beruf, in den Fokus zu nehmen und zu untersuchen, warum dieses Ziel in vielen Familien nicht erreicht wird,
  • zusätzlich in diesem Bericht zum Elterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus die unterschiedlichen beruflichen Situationen der Elterngeldbeziehenden zu berücksichtigen, damit zielgerichtete Rückschlüsse zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf getroffen werden können,
  • notwendigerweise die Wechselwirkungen des ElterngeldPlus und des Partnerschaftsbonus bei der Zielerfüllung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Partnerschaftlichkeit in der Erziehung mit anderen ehe- und familienpolitischen Leistungen zu überprüfen.