Immer mehr Kinder mit Sprachdefiziten: Wer braucht Logopädie und reichen die Kapazitäten?

Anfrage der Fraktion der FDP Bremen.

Die Zahl der Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen nimmt zu. Wie ausgeprägt und verfestigt die Sprachprobleme im Land Bremen sind, zeigt der Anfang dieses Jahres vorgelegte Bericht zur vorschulischen und schulischen Sprachstandsfeststellung. Danach haben fast 48 Prozent der Bremer Vorschulkinder und sogar rund 55 Prozent der Kinder in Bremerhaven einen Sprachförderbedarf. Doch auch die schulische Sprachförderquote für Kinder der ersten Klasse befindet sich aktuell mit fast 40 Prozent in Bremen und 57 Prozent in Bremerhaven auf erschreckend hohem Niveau. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass zum einen der Förderbedarf stark und sogar zunehmend von sozialen und strukturellen Wohnortvoraussetzungen abhängt. Zum anderen erzielten Fördermaßnahmen bis zum Übergang vom Elementar- in den Primarbereich nur bedingt den gewünschten Effekt.

Zudem zeigt die Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion „HNO-Operationen bei Kindern: Wie ist die Lage in Bremen?“ (Drucksache 21/658), dass auch die Zahl der 5- bis 7-jährigen Kinder in Bremen, die sich wegen auffälliger Sprech- und Sprachbefunde in Behandlung befinden, kontinuierlich gestiegen ist und aktuell bei 12 Prozent liegt.

Sprachstörungen, die den Wortschatz, die Grammatik sowie die Lautbildung und Ausdrucksfähigkeit betreffen können, sind in der Regel gut behandelbar; allerdings gilt: Je früher damit begonnen wird, desto besser.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

(Angaben bitte jeweils jährlich und getrennt für die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven aufschlüsseln.)

  1. Wie bewertet der Senat die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung, wonach 5- bis 7-jährige Kinder in zunehmendem Maße auffällige Sprach- und Sprechbefunde aufweisen und Arztverweisungen stattfinden?
  2. Inwiefern wird die Inanspruchnahme einer Arztverweisung nachverfolgt?
  3. Wie viele Kinder welchen Alters befinden sich im Land Bremen aktuell in logopädischer Behandlung?
  4. Wie hoch ist nach Kenntnis des Senats der Anteil der Kinder, die zur Sprachdefizitbe-hebung ein pädagogisches Förderangebot benötigen, und wie hoch ist der Anteil mit therapeutischem Bedarf?
  5. Inwieweit besteht aus Sicht des Senats der Bedarf, im Rahmen der Sprachstandsfeststellung stärker zu differenzieren, ob ein pädagogisches oder therapeutisches Angebot benötigt wird?
  6. Wie haben sich Überweisungen zur logopädischen Behandlung in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?
  7. Welche Wartezeiten bestehen für eine logopädische Therapie?
  8. Wie haben sich die Anzahl der Logopäden und die Anzahl der Therapieplätze in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?
  9. Welcher Bedarf an Logopädie-Plätzen besteht darüber hinaus nach Auffassung des Senats?
  10. In welchen Stadtteilen befinden sich wie viele der im Land Bremen gemeldeten logopädischen Praxen bzw. freiberuflich tätigen Therapeuten?
  11. Wie viele Logopäden sind in Vollzeit tätig, wie viele in Teilzeit?
  12. Wie haben sich die Ausbildungsplätze und die Absolventenzahlen in den vergangenen fünf Jahren entwickelt?
  13. Inwiefern ist die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten notwendig und geplant?
  14. Inwiefern erachtet der Senat den Einsatz von Logopäden und Sprachlernkräften in Schulen und Kindertagesstätten, vor dem Hintergrund des aktuell hohen Sprachförderbedarfs der Kinder, für sinnvoll?
  15. Anhand welcher konkreten Kriterien wird derzeit entschieden, ob Logopäden in Kitas und Schulen eingesetzt werden?
  16. Welche konkreten Maßnahmen ergreift der Senat, um Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas bei der Diagnostik des Sprachförderbedarfs sowie bei der Sprachförderung der Kinder zu unterstützen?
  17. Inwiefern plant der Senat, Logopäden und Sprachtherapeuten als Teil des multiprofessionellen Teams in den Kitas einzusetzen, um eine bestmögliche Sprachförderung zu ermöglichen und falls ja, welche konkreten Maßnahmen werden derzeit und zukünftig ergriffen?
  18. Welche Sprachförderkonzepte bestehen an welchen Schulen und Kindertagesstätten bzw. sind geplant, um Kinder mit Defiziten gezielt zu fördern, und inwiefern werden die Maßnahmen und deren Umsetzungen evaluiert?
  19. Welche Sprachförderangebote bestehen in Kindertagesstätten, wer ist für die Umsetzung zuständig und in welchem Umfang hat in den vergangenen zwei Jahren ein Aufbau des Angebots stattgefunden?
  20. Inwiefern erachtet der Senat für den Bereich der Logopädie das Gesundheitsberufe-Monitoring und die Bedarfsvorausschätzung noch für zutreffend?
  21. Von welcher Fachkräftelücke ist in den kommenden zehn Jahren auszugehen und mit welchen Maßnahmen beabsichtigt der Senat dieser entgegenzuwirken?
  22. Welche Handlungsbedarfe und Maßnahmen wurden aus dem Monitoring für den Bereich der Logopädie bislang abgeleitet und umgesetzt?
  23. Wie bewertet der Senat die Forderung von Logopäden, wonach die Sprachdiagnostik über Logopäden zu erfolgen habe?
  24. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, eine Modellvorhaben zur Erprobung eines Direktzugangs zur Logopädie umzusetzen?