Ehen von Minderjährigen im Land Bremen: Stand der Umsetzung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen sowie Informations- und Hilfestrukturen für Betroffene

Kleine Anfrage der Fraktion der FDP.

Das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2426) ist am 22. Juli 2017 in Kraft getreten. Es verfolgt das Ziel, Minderjährige zu schützen, weshalb Änderungen im Eheschließungs- und Eheaufhebungs-, Asyl- und Aufenthalts- sowie im Kinder- und Jugendhilferecht vorgenommen wurden. All diese Änderungen legen fest, dass eine Person mindestens 18 Jahre alt sein muss, um eine Ehe einzugehen. Hiervon dürfen nach diesem Gesetz keine Ausnahmen gemacht werden. Die Änderungen schaffen auch für den rechtlichen Umgang mit im Ausland geschlossenen Ehen Klarheit.

Neben der Umsetzung der 2017 geänderten juristischen Grundlage ist der Blick auf die Aufklärungs- und Hilfestrukturen wichtig. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss höchste Priorität haben. Nur für das Thema sensibilisierte und qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer können betroffenen Schülerinnen und Schülern ein kompetenter Ansprechpartner sein und den Weg in die Hilfestrukturen ebnen. Das Ziel muss sein, Unterstützungsstrukturen so aufzustellen, dass die unmittelbar Betroffenen Schutz finden, aber auch Hilfe, den Konflikt zwischen den eigenen Rechten und den aus den Familien formulierten Ansprüchen austragen zu können. Gleichzeitig ist es wichtig, in großer Breite über geltende gesetzliche Regelungen zu informieren und über die Hintergründe des entsprechenden Gesetzes aufzuklären. Nur so kann es gelingen, Kinder und Jugendlichen langfristig zu schützen und ihnen ein selbstbestimmtes Leben als junger Erwachsener zu ermöglichen. 

Alle Fragen beziehen sich auf den Zeitraum nach Inkrafttreten des oben genannten Gesetzes für das Land Bremen und sind bitte nach Jahren aufgeschlüsselt zu beantworten. 

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  1. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen eine Ehe geschlossen wurde, in der mindestens ein Ehegatte bei der Eheschließung im Inland jünger als 18 Jahre und älter als 16 Jahre war?
  2. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen mindestens ein Ehegatte bei der Eheschließung im Ausland jünger als 16 Jahre war, wie viele dieser Ehen wurden für unwirksam erklärt (bitte nach Land, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)?
  3. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen ein Ehepartner minderjährig, aber älter als 16 Jahre war, die Ehe im Ausland geschlossen wurde und im Inland vor einem Gericht behandelt wurde? a) Wie viele dieser Ehen wurden aus welchen Gründen für unwirksam erklärt? b) Wie viele dieser Ehen wurden aus welchen Gründen für weiterhin wirksam erklärt?
  4. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen Schülerinnen und Schüler aus dem Land Bremen während eines Ferienaufenthalts im Ausland verheiratet wurden, und in wie vielen Fällen sind diese Schülerinnen und Schüler nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt (bitte Land, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)?
  5. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen während das Asylverfahrens das Thema Ehe von Minderjährigen im Entscheidungsprozess Berücksichtigung fand oder Anträge auf Abschiebungsschutz damit begründet wurden (bitte nach Land, Alter und Geschlecht aufschlüsseln)? Wie wurde in diesen Fällen entschieden?
  6. Wie schätzt der Senat den asylrechtlichen Umgang mit minderjährigen Personen ein, die möglicherweise oder nachweislich von einer Eheschließung bedroht oder betroffen sind?
  7. Inwieweit unterscheidet sich der Ablauf eines Asylverfahrens, wenn bekannt wird, dass die betroffene Person minderjährig und verheiratet ist von herkömmlichen Asylverfahren (wird z. B. geschultes Personal für Einschätzungen/Hilfen herangezogen)? 
  8. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das in § 11 PStG beschriebene Voraustrauungsverbot ermittelt wurde und mit welchem Ergebnis wurden die entsprechenden Ermittlungsverfahren abgeschlossen (bitte aufschlüsseln nach unbegründet, Bußgeldbescheid erlassen, Gerichtsverfahren eingeleitet etc.)? 
  9. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen vorläufige Inobhutnahmen durch das Jugendamt im Kontext von Minderjährigenehen erwogen wurden, in wie vielen Fällen wurden sie notwendig und mit welchen Begründungen hat man sich dagegen entschieden? 
  10. Wie viele Fälle sind bekannt, in denen in den Kinderehen selbst bereits Kinder geboren worden und wie werden in diesen Fällen Sorgerecht, Vormundschaft u. ä. geregelt bzw. die jungen Familien begleitet?
  11. Welche Informationen liegen dem Senat zum Umgang von Schulen mit Schülerinnen und Schülern vor, die von einer Eheschließung bedroht oder bereits davon betroffen sind? 
  12. Wie werden Schülerinnen und Schüler an Schulen über das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen und entsprechende Unterstützungsstrukturen informiert?
  13. Wie werden Lehrerinnen und Lehrer für das Thema Minderjährigenehen sensibilisiert und über mögliche Hilfsstrukturen informiert, um betroffenen Schülerinnen und Schülern tatsächlich helfen zu können?
  14. Liegen dem Senat Informationen darüber vor, ob das Hilfetelefon für Frauen (08000 116 016) von Betroffenen einer Kinderehe genutzt wird, und wenn ja, wie viele Anrufe von Frauen und Mädchen gingen bei dieser Hotline ein, die Hilfe aufgrund einer drohenden oder bereits vollzogenen Eheschließung im minderjährigen Alter suchen? Und wie wird über die Existenz dieser und anderer Hilfehotlines informiert?
  15. Gibt es nach Kenntnis des Senats eine Hotline, an die sich Jungen und Männer wenden können, die von einer Eheschließung im minderjährigen Alter bedroht sind oder diese bereits vollzogen wurde? Und wie wird über die Existenz dieser und anderer Hilfehotlines informiert?
  16. Haben nach Kenntnis des Senats auch Familienangehörige oder Freunde von Betroffenen die Möglichkeit, sich beraten zu lassen? Welche Hilfsangebote stehen ihnen im Land Bremen offen und wie wird über diese informiert?
  17. Wie schätzt der Senat die Hilfe für Betroffene ein, wenn es darum geht, ihnen unbürokratisch und zeitnah die Unterbringung in Krisen- und Schutzeinrichtungen zu ermöglichen? Welche Schutzeinrichtungen stehen ihnen offen und wie wird mit den Herkunftsfamilien der Schutzbedürftigen umgegangen?
  18. Wie bewertet der Senat den Erfolg des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen (BGBl. I S. 2429) und dessen Umsetzung für das Land Bremen ein und wo sieht er Defizite?