Moderne Arbeit braucht einen modernen Rechtsrahmen: Arbeitsstättenverordnung reformieren!

Antrag der Fraktion der FDP.

Das Arbeiten von Zuhause im sogenannten Homeoffice wird in Deutschland immer relevanter. 2019 haben nach Daten des statistischen Bundesamtes 12,9 Prozent der Erwerbstätigen von Zuhause gearbeitet, davon rund 43 Prozent mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit. 

Durch die Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Lockdown hat sich diese Zahl weiter erhöht. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung haben während des ersten Lockdowns im April fast ein Viertel aller Beschäftigten die Arbeit überwiegend von zu Hause aus erledigt. Nach niedrigeren Schätzungen für den November 2020, liegen die Werte für den Januar 2021 wieder bei ähnlich hohen Werten wie im ersten Lockdown. 

Viele Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass Homeoffice nach dem Lockdown und dem Ende der Corona-Pandemie ein wichtiger Bestandteil der Arbeitskultur in Deutschland bleiben wird: Die Betriebe haben ihre Arbeitsprozesse angepasst, Technik beschafft oder Homeoffice einfach „ausprobiert“ und so Bedenken ausgeräumt. 

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren und sind in der Pandemie auf weitreichende Homeoffice-Möglichkeiten angewiesen. Das betrifft insbesondere Mütter und Väter, für die das Homeoffice aufgrund der kompletten oder teilweisen Schließung der Schulen und Kitas die einzige Möglichkeit war, das entstandene Betreuungs- und Bildungsdefizit bei extremer Doppelbelastung aufzufangen. Zusätzlich wird die Infektionsgefahr reduziert, wenn Menschen im Homeoffice arbeiten. 

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben für sich weitere Vorteile des zumindest gelegentlichen Arbeitens von Zuhause entdeckt. So können etwa bei Pendlern täglich teilweise sehr lange Wege vermieden oder kleine Besorgungen im Alltag leichter integriert werden. 

In der derzeitigen Pandemiesituation hat die Bundesregierung über die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen verpflichtet, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Homeoffice anzubieten, sofern dem keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Bundesregierung hofft, durch die Verordnung den Anteil der Beschäftigten im Homeoffice weiter zu erhöhen. 

In der Praxis führt das derzeitig stattfindende Homeoffice häufig zu einer rechtswidrigen Situation. Sofern es nicht gelegentliches Arbeiten von Zuhause (sogenanntes „mobiles Arbeiten“) ist, handelt es sich um Telearbeit und es gilt entsprechend die Arbeitsstättenverordnung. Damit gelten sämtliche Arbeitsschutzvorschriften auch für das Homeoffice. Neben einer vollen technischen Ausstattung (die auch mit erheblichen Kosten verbunden ist), müssten auch Regelungen wie die korrekte Beleuchtung überprüft werden. Die Arbeit mit dem Laptop wäre ebenfalls nicht zulässig, da laut Arbeitsstättenverordnung die Tastatur getrennt vom Bildschirm sein muss. 

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben keine andere Möglichkeit, die ihnen rechtlich auferlegten Pflichten zu erfüllen, als Hausbesuche und Kontrollen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchzuführen. Das würde nicht nur für die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen lästig sein, es würde von vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch als übergriffig empfunden werden. Es entspricht jedenfalls nicht der Praxis in vielen Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung. 

Auch in Bremen stellt die Arbeitsstättenverordnung viele Unternehmen und insbesondere die öffentliche Verwaltung vor enorme Herausforderungen. In der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) am 28. Januar 2021 gab der Staatsrat bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, Kai Stührenberg, an, dass viele Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung im Homeoffice arbeiten (ca. 60 Prozent der Beschäftigten bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa) und dafür mit Laptops ausgestattet seien. Das Arbeiten am Laptop sei laut Stührenberg mittlerweile eine sehr gängige Form des Arbeitens. Nach Auffassung des Senats und des Staatsrats sei es daher kein großes Risiko, mit dem Laptop zuhause zu arbeiten. Er sehe daher zumindest die Notwendigkeit zu prüfen, wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen sind.

Das Beispiel aus der bremischen Verwaltung zeigt klar, vor welchen Problemen derzeit Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen: Im Interesse des Infektionsschutzes entscheiden sie sich in den meisten Fällen für eine sinnvolle, aber gleichzeitig rechtlich problematische Situation. Das deutsche Arbeitsrecht hält in vielen Bereichen an veralteten Vorstellungen von Arbeit fest, die nicht nur wenig mit der Realität zu tun haben, sondern in vielen Fällen auch den Wünschen und Erfordernissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht gerecht werden. 

Die Realität der privaten Haushalte führt die Arbeitsstättenverordnung an ihre Grenzen, Die privaten Haushalte erfüllen oft nicht die Anforderungen, auch wollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in diesem engen Rahmen arbeiten müssen. Die Eigenverantwortung und die Möglichkeit sich den Arbeitsalltag selbst zu gestalten ist zentral. 

Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Arbeitsstättenverordnung in seiner bisherigen Form nicht mehr gelten kann. 

Stattdessen bedarf es unbürokratischer, flexibler und der modernen Arbeit gerecht werdender Regelungen, die das von vielen gewünschte Homeoffice auch nach der Pandemie ermöglichen und nicht verhindern. Gleichwohl ist klar, dass nicht in allen Berufen Homeoffice möglich ist. Da wo es möglich und gewünscht ist, ist eine Entbürokratisierung dringend erforderlich. 

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Arbeitsstättenverordnung reformiert und zeitgemäß angepasst wird und für die Arbeit im Homeoffice eine unbürokratische, flexible und praxisnahe Lösung gefunden wird.