Verbindliche Rahmen für faire Bildungschancen schaffen, Ganztagsschulausbau planen und finanziell absichern!

Antrag der Fraktion der FDP.

Anfang Mai 2021 hat die Bundesregierung einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder auf den Weg gebracht. Chancengerechtigkeit in der Bildung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern sollen so verbessert werden. Nach dem Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung, der gestaffelt seit 2008 eingeführt wurde, schließt die Bundesregierung nach eigenen Angaben damit eine Betreuungslücke, die bisher für viele Familien mit der Einschulung der Kinder entsteht. Zunächst sollen alle Kinder der ersten Klassenstufe ab August des Schuljahres 2026/27 einen Rechtsanspruch haben. Dieser wird in den folgenden Jahren dann immer um den nächsten nachrückenden Jahrgang ausgeweitet, womit ab dem Schuljahr 2029/30 jedes Grundschulkind einen Anspruch auf ganztägige Betreuung haben soll.

Der Rechtsanspruch wird im SGB VIII geregelt und sieht einen Betreuungsumfang von 8 Stunden an fünf Werktagen vor, wobei die Unterrichtszeit eingerechnet wird. Bis auf eine Ferienzeit von 4 Wochen soll der Rechtsanspruch auch für die Ferienzeiten im Schuljahr gelten, wobei die Länder die Möglichkeit haben, eigene Schließzeiten zu regeln. Ausdrücklich betont die Bundesregierung, dass bei der Umsetzung des Rechtsanspruches der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme stets Rechnung getragen werden muss. Erfüllt wird der Rechtsanspruch von traditionellen Horten, aber auch von offenen oder geschlossenen Ganztagsschulen. 

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey betonte anlässlich der Einführung des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, dass dieser Schritt „ein echter Gamechanger werde – für mehr Vereinbarkeit und Bildungsgerechtigkeit.“ Denn es brauche „einen verbindlichen Rahmen dafür, dass alle Kinder gleich gut gefördert werden und ihre Chancen nutzen können.“ Daneben soll er allen „Eltern ihr Leben erleichtern, in dem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werde.“

Den entsprechenden Ausbau der deutschen Schullandschaft will der Bund bisher mit bis zu 3,5 Mrd. Euro unterstützen, momentane Verhandlungen haben eine Erhöhung der Summe zum Ziel. Darüber hinaus will der Bund sich auch an den laufenden Kosten beteiligen, weshalb die Mittel jährlich anwachsen und 2030 etwa 960 Millionen Euro erreichen. Dass diese Anstrengungen nötig sind, belegt eine Untersuchung des Deutschen Jugendinstitutes: Hiernach werden 2025 etwa 79 Prozent aller Grundschulkinder eine Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen. Im Vergleich zu 2018 sind das 1,1 Millionen Ganztagsschulplätze zusätzlich.

Trotz dieser enormen finanziellen Zuschüsse vom Bund liegt die Schaffung der Plätze in den Händen der Länder. Das ist keine leichte Aufgabe, was in Bremen mit Blick auf den noch immer nicht vollständig umgesetzten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz – zwölf Jahre nach seiner Einführung fehlen in Bremen etwa 1000 Plätze – deutlich wird. Doch nicht nur die noch immer fehlenden Plätze in der frühkindlichen Bildung geben Anlass zu der Sorge, dass Bremen den Rechtsanspruch nicht fristgerecht umsetzen kann. Auch die bisherigen Ausbaupläne für den Ganztagsschulbereich wurden nicht umgesetzt und sind ins Stocken geraten (s. dazu die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion mit der Drs. 20/434S und den Antworten des Senats mit der Drs. 20/459S).

Unabhängig vom Rechtsanspruch aber braucht Bremen einen zügigen Ganztagsschulausbau. Die jüngst im Weser Kurier publizierten Ergebnisse des Vergleichstests Vera 8 („Bildungsdefizite in den Brennpunkten. Mehr als jeder zweite Bremer Achtklässler erreicht nicht die Mindeststandards in Mathematik“ vom 22.07.2021) lässt keinen Zweifel daran, dass dringender Handlungsbedarf besteht, will man die Kompetenzen der aller Kinder und Jugendlichen tatsächlich nachhaltig und dauerhaft verbessern. Dass der Ganztagsschulausbau tatsächlich wesentlich zur Verbesserung der Bildungsqualität und damit zur Chancengerechtigkeit beiträgt, wird in Hamburg deutlich. Hier besuchten schon 2017 über 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler den Ganztagsunterricht. Mit dem steigenden Ganztagsschulangebot verbesserten sich auch die Bildungsergebnisse des Stadtstaates. Hier wird exemplarisch der positive Einfluss auf die Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen deutlichen. Diesen Impuls hat Bremen bitter nötig – nach wie vor sind hier so viele Kinder wie nirgends sonst armutsgefährdet und nach wie vor sind die Bildungsergebnisse im Bundesvergleich schlecht. 

Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz im Grundschulbereich, die finanzielle Unterstützung vom Bund und eine solide Ausbauplanung vor Ort eröffnen Bremen die einmalige Gelegenheit, offensiv den größten sozial- und bildungspolitischen Herausforderungen zu begegnen. Die erfolgreiche Schule der Zukunft ist immer auch eng mit dem umgebenden Sozialraum und externen Initiativen vernetzt. Für diese Kooperationen müssen Qualitätskriterien und Leitfäden der Zusammenarbeit definiert werden, um die Schülerinnen und Schüler lebens- und alltagsnah mit der Lebens- und Arbeitswelt vertraut zu machen und sie zum Ausprobieren einzuladen. Dadurch können sie über das Elternhaus hinaus und auch unabhängig vom Elternhaus neue Perspektiven erhalten und positive prägende Rollenbilder für sich entdecken. Die Herstellung von Bildungsgerechtigkeit ist in Deutschland noch immer eine der größten Herausforderungen für die Reform des Schulwesens. Noch immer prägen Eltern die Bildungsbiografie und den Bildungserfolg nachhaltig, für viele Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern ist es deshalb besonders schwer, höherwertige Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse zu erreichen.

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf:

  1. Eine Schulausbauplanung für das Land Bremen vorzulegen, die folgende Punkte umfasst:
    1. den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz für die Grundschule ab August 2026 umsetzt;
    2. darüber hinaus gewährleistet, dass Plätze sowohl im offenen wie im geschlossenen Ganztag entsprechend eines vorher erhobenen Bedarfs entstehen;
    3. außerdem erklärt, welche Zielzahlen für weiterführende Schulen in Bezug auf Ganztagsschulplätze in den einzelnen Quartieren erreicht werden sollen;
    4. einen detaillierten und standortscharfen Bau- und Finanzierungsplan enthält, um die notwendigen Maßnahmen organisatorisch abzusichern und im Haushalt zu hinterlegen;
    5. eine Personalbedarfsplanung enthält und eine entsprechende Qualifizierung schon jetzt vorbereitet.
  2. Für die Kooperation mit externen Partnern im Schulbetrieb einen Leitfaden mit Kooperationskriterien, Rahmenbedingungen und Qualitätskriterien zu erstellen, damit die Zusammenarbeit im Sinne steigender Bildungsqualität und wachsender Chancengerechtigkeit gelingen kann.
  3. Der Deputation für Kinder und Bildung sechs Monate nach Beschlussfassung über den Fortgang der Planungen zu berichten und innerhalb eines Jahres einen entsprechenden Ausbauplan vorzulegen.