Umsetzungsstand der Istanbul-Konvention in Bremen und Bremerhaven
Große Anfrage der Fraktion der FDP.
Seit dem 1. Februar 2018 ist in Deutschland das rechtlich bindende „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ in Kraft. Mit dem auch als Istanbul-Konvention bekannten völkerrechtlichen Vertrag sollen verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt gegen Frauen und gegen häusliche Gewalt geschaffen werden. Die Vorgaben der Konvention betreffen zahlreiche Bereiche, wie etwa das System der Unterstützung und Hilfe, den Opferschutz, das Strafrecht, das Umgangsrecht, das Aufenthaltsrecht, die Fortbildung von Justiz und Verwaltung, und den wirksamen Zugang zum Recht für Gewaltbetroffene. Trotz der existierenden Regelungen und Maßnahmen gegen geschlechtsbezogene Gewalt besteht in Deutschland noch erheblicher Handlungsbedarf zur vollständigen Umsetzung der Vorgaben der Konvention.
Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:
- Wie viele Anzeigen von häuslicher Gewalt gegen Frauen gab es bislang im Jahr 2020 bei den Strafverfolgungsbehörden? Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen häuslicher Gewalt gegen Frauen bislang im Jahr 2020 eingeleitet? Wie verhalten sich diese Zahlen im Vergleich mit den Anzeigen und Ermittlungsverfahren in den vergangenen fünf Jahren?
- Wie viele Anzeigen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen gab es bislang im Jahr 2020 bei den Strafverfolgungsbehörden? Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen bislang im Jahr 2020 eingeleitet? Wie verhalten sich diese Zahlen im Vergleich mit den Anzeigen und Ermittlungsverfahren in den vergangenen fünf Jahren?
- Wie beurteilt der Senat die Entwicklung von häuslicher Gewalt und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gegen Frauen im Vergleich zu den Vorjahren und wie schätzt er die Dunkelziffer in diesem Bereich ein?
- Wie bewertet der Senat die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Bremen und Bremerhaven und welche konkreten Handlungsmaßnahmen plant der Senat auf Grundlage dieser Bewertung (bitte getrennt nach Stadtgemeinde Bremen und Bremerhaven aufschlüsseln)?
- Führt der Senat im Rahmen der Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt eine regelmäßige Bedarfsanalyse durch? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Handlungsmaßnahmen haben sich bislang daraus ergeben?
- Wie viele Frauenhausplätze stehen in Bremen und Bremerhaven derzeit jeweils zur Verfügung? Wie viele Frauenhausplätze sind in Bremen und Bremerhaven geplant? Wie viele Frauenhausplätze müssten nach der Istanbul Konvention zur Verfügung stehen bzw. wie viele Frauenhausplätze fehlen allgemein in Bremen und Bremerhaven? Wie viele Frauen haben im Zeitraum von Januar 2017 bis August 2020 Schutz in den Frauenhäusern im Land Bremen gesucht? Wie viele davon mit Kindern? Wie viele dieser Frauen sind wohnungslos und daher schutzbedürftig? Wie hat sich insgesamt die Anzahl der verfügbaren Frauenhausplätze über die vergangenen fünf Jahren verändert?
- Wie viele Frauenhausplätze sind barrierefrei zugänglich? Welche konkreten Handlungsmaßnahmen plant der Senat um einen barrierefreien Zugang zu Frauenhilfeinfrastruktur hat?
- Welche konkreten Handlungsmaßnahmen zu
a. Prävention
b. Strafverfolgung und Täterarbeit
c. Hilfsangeboten und Schutzeinrichtungen
hat der Senat seit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erstmalig eingeführt bzw. sind derzeit geplant? - Welche formellen oder informellen Lehr- und Lernmittel gibt es in Bremen und Bremerhaven, um die die Ziele des Artikel 14 Abs. 1 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erfüllen?
- In wie fern wurden und werden seit der Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt Beamte und Angestellte des Landes durch Aus- und Fortbildungen nach Artikel 15 Abs. 1 des Übereinkommens geschult? Wenn ja, wie viele Beamte oder Angestellte des Landes wurden in den vergangenen Jahren hierzu geschult?
- Welche neuen vorbeugenden Interventions- und Behandlungsprogramme wurden seit der Ratifizierung nach Artikel 16 Abs. 1 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in Bremen und Bremerhaven geschaffen?
- Welche konkreten Handlungsmaßnahmen hat der Senat ergriffen, um eine anonyme und anzeigenunabhängige rechtsmedizinische Spurensicherung für Opfer von häuslicher Gewalt zu ermöglichen? Wie wird die Möglichkeit dieser Spurensicherung beworben? Und wie viele haben dieses Angebot seit seiner Entstehung bereits angenommen? In wie vielen Fällen wurde das Ergebnis dieser Spurensicherung abgerufen und unmittelbar zur Anzeigenerstattung weiterverwendet?
- Stehen in Gerichten des Landes Räumlichkeiten zur Verfügung, um Vernehmungen nach § 58a StPO durchzuführen und welche Größe (in Quadratmeter) weisen sie auf?
- Ist sichergestellt, dass jedes Opfer von sexualisierter bzw. häuslicher Gewalt unmittelbar nach Anzeige der Tat vom bevorzugten Geschlecht betreut wird? Wie viele BeamtInnen sind für den Bereich der sexualisierten und häuslichen Gewalt eingeteilt (bitte aufschlüsseln nach Stadtteil und Revier) Gibt es bei der Bremer oder Bremerhavener Polizei jeweils eine (Sonder-)Einheit für den dieses Kriminalitätsfeld?
- Welche privaten Organisationen gibt es zur Unterstützung von Opfern sexualisierter und häuslicher Gewalt? Wie werden die entsprechenden Angebote der Organisationen und Institutionen von der Polizei bei den Opfern beworben? Gibt es finanzielle Unterstützung für die Institutionen und Organisationen, die Opferhilfe leisten, wenn ja, in jeweils welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht? Werden Tätereinrichtungen finanziell gefördert?
- Wie und wo werden die Angebote der Hilfsorganisationen und -Institutionen beworben? Hält der Senat eine stärkere Bewerbung der Angebote für nötig? Können die privaten Institutionen, Organisationen und deren Hilfsstrukturen dem Umfang und Andrang der Betroffenen gerecht werden?
- Welche Strategie verfolgt der Senat um den Bereich der Trennungstötungen effektiv zu bekämpfen?