Sanierungsstau an Bremer Schulen und Kitas

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

In D­­eutschland arbeiten rund 11 Millionen Schülerinnen und Schüler und deren Lehrende in Gebäuden, die vermutlich nur wenige Erwachsene als Arbeitsorte akzeptieren würden. Nach Angaben der Kommunen hat jede Zweite der etwa 43.000 Schulen in Deutschland einen gravierenden bis nennenswerten Sanierungsbedarf. Verstopfte Schultoiletten, defekte Zentralheizungen und Wasserschäden durch defekte Dächer und Rohre prägen den Alltag an deutschen Schulen. Der Investitionsrückstand steigt auf 45,6 Mrd. Euro an und nimmt mit 28,6% den größten Anteil an öffentlichen Investitionsrückständen ein. Bedenklich ist, dass sich nur 23% der Kommunen einen Abbau des Investitionsstaus für das kommende Jahr vorstellen können, 28 % rechnen sogar mit einem Anwachsen der Investitionslücke (s. dazu KfW-Kommunalpanel 2021). Dass auch in Bremen erheblicher Sanierungsbedarf besteht, ist kein Geheimnis. Spätestens seit die Grundschule Alter Postweg 2021 sogar kurzzeitig geschlossen werden musste, ist klar, dass der schon lang aufgelaufene Sanierungsstau an Bremer Bildungseinrichtungen in den letzten Jahren nicht abgearbeitet wurde. 

Doch nicht nur die offensichtlichen Baumängel am Bestand prägen die Bremer Bildungseinrichtungen. Mangelware sind auch Räume für versprochene Bildungsziele eines sozialen Bildungssystems: Ganztagsschule, Inklusion, Sprachförderung – all diese Bildungskonzepte brauchen nicht nur Personal, sie brauchen auch Räume. Das 60-Quadratmeter-Klassenzimmer steht dabei symbolhaft für den Reformbedarf des gesamten Schulsystems, das neben zeitgenössischen inhaltlichen Konzepten endlich auch darauf angepasste Räume braucht.

Schul- und Kitasanierungen sind eine Mammutaufgabe, neben Geld fehlen auch flexible Sanierungskonzepte und Ausweichräume, die eine Sanierung bei laufendem Betrieb überhaupt erst ermöglichen. Sanierungen bringen deshalb zwangsläufig immer auch Unterrichts- und Betreuungsausfall mit sich. Nach den präsenzfreien Monaten während Corona unvorstellbar. Konzepte für Sanierungen im laufenden Betrieb müssen deshalb den Umbau prägen. Im EU-Förderprojekt „TES Energy Facade“ beispielsweise wurde ein Verfahren entwickelt, das den Austausch von Fassaden in sechs Wochen der Sommerferien ermöglicht. Dieses Verfahren spart den Kommunen Organisationsaufwand, Zeit, die Suche nach einem Ausweichstandort und letztlich auch Geld.

Noch immer kann der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz in Bremen nicht für alle Kinder eingelöst werden. Ab 2026 beginnt außerdem die schrittweise Einführung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Bildungsvergleichsstudien zeigen außerdem, dass ein Schulsystem nur dann chancengerechter wird, wenn auch weiterführende Schulen in ein Ganztagssystem wechseln. Der Rechtsanspruch hat in den letzten Jahren zu erheblicher Bautätigkeit geführt, die auch die nächsten Jahre prägen muss, wenn endlich alle Kinder dieser Stadt die Chance auf frühkindliche Bildung haben sollen.

Die Sanierung des Altbestandes und der Aus- und Neubau von Kita- und Schulgebäuden sind keine einfachen Aufgaben. Sie erfordern neben einer soliden Finanzplanung auch eine intensive Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Dass der Sanierungsstau an Bremer Bildungseinrichtungen enorm ist, zeigte schon die Große Anfrage der FDP-Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode (DS 19/395 mit der Antwort 19/443 S). Die Antwort beziffert einen „dreistelligen Millionenbetrag“ als Sanierungsbedarf, spezifiziert diesen aber nicht näher. Radio Bremen allerdings berichtete am 24.01.2017 aus einem Entwurf der Antwort, wonach das Kostenvolumen bei ca. 900 Millionen liegen soll. Damals kritisierte auch die Vertretung der Schulleiterinnen und Schulleiter, dass ein „grundsätzlicher mittelfristiger Plan fehlt, wie Schulen saniert werden und wo Neubauten entstehen müssen“. (s. dazu S. Sundermann mit „FDP bemängelt Sanierungsstau an Bremer Schulen“ im WK vom 25.01.2017). Die damals amtierende Finanzsenatorin Karoline Linnert (Bündnis 90/Die Grünen) merkte in der Debatte zur Großen Anfrage an, dass es für Immobilien Bremen nicht mit vertretbarem Aufwand möglich sei, eine konkrete Schätzung zum Sanierungsbedarf flächendeckend vorzunehmen, auch wenn sie sich selbst wünsche, dass zukünftig mehr Mittel in die Sanierung und den Erhalt fließen. Ob und wie sich die Situation an den Bildungseinrichtungen in den vergangenen fünf Jahren tatsächlich verbessert hat, sollen nun die vorliegenden Fragen klären:

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  • Wie hoch beziffert der Senat die derzeitigen Sanierungsbedarfe an den bereits vorhandenen allgemeinen- und berufsbildenden Schulen inklusive deren Pausenhöfen sowie den Kinderbetreuungseinrichtungen in der Stadt Bremen (bitte die Bedarfe je Schule und Kinderbetreuungseinrichtung sowie geplanter Dauer bis zur Behebung auflisten)?
  • Welcher Art sind die Sanierungsbedarfe je Schule und Kindertageseinrichtung inklusive der Außengelände und auf welche Sanierungsbereiche wie etwa Sanitäranlagen, Bausubstanz, Energieeffizienz, Brandschutz, Barrierefreiheit, Schadstofffreiheit, Schallschutz, technische Ausstattung (inklusive Wartungsstaus), Mobiliar, Feuchtigkeit beziehungsweise Schimmelbefall etc. beziehen sich jeweils die zu erwartenden Kosten?
  • Welchen prozentualen Anteil hat die Schul- und Kitalandschaft am Investitionsrückstand der Stadt Bremen gemäß den im KfW-Kommunalpanel 2022 unterschiedenen Bereichen und wie hat sich dieser, geblickt auf die vergangenen 5 Jahre, entwickelt?
  • Inwieweit gelang es der Kommune Bremen, den laufenden Unterhalt der die Schul- und Kitainfrastruktur in den letzten fünf Jahren gemäß der im KfW-Kommunalpanel 2022 ausgewiesenen Kategorien vollständig, weitgehend oder in geringem Umfang zu gewährleisten und welche prospektive Schätzung kann der Senat für die kommenden zwei Jahre abgeben?
  • Wie gestalten sich die derzeitigen Sanierungsbedarfe bei den Turn- und Sporthallen sowie Sportplätzen, die für den Schulsportunterricht genutzt werden (bitte nach genutzten Hallen, Schulen sowie Art und Kosten der Bedarfe auflisten)?
  • Welche Sanierungsmaßnahmen wurden bei den Turn- und Sporthallen sowie Sportplätzen in den vergangenen 5 Jahren durchgeführt (bitte je Jahr, Turn- und Sporthalle oder Sportplatz, sowie Art und Kosten der Maßnahme auflisten)?
  • Hat es in den vergangenen 5 Jahren Einschränkungen oder Ausfälle des Sportunterrichts aufgrund von Mängeln an den Turn- und Sporthallen sowie Sportplätzen gegeben (bitte nach genutzten Hallen, Schulen, Art der Mängel sowie Dauer bis zur Behebung auflisten)?
  • Wie oft hat es, geblickt auf die vergangenen 5 Jahre, Einschränkungen oder Ausfälle des Unterrichts bzw. der Kinderbetreuung aufgrund von baulichen und technischen Mängeln gegeben (bitte nach Jahren, Bildungseinrichtung, Art und Kosten der jeweiligen Mängel sowie Dauer bis zur Behebung auflisten)?
  • Inwiefern gab es in den vergangenen Jahren leichte oder schwere Unfälle von Schülerinnen und Schülern bzw. bedrohliche Situationen wie an der Schule im Alten Postweg, die sofortiges Handeln notwendig machten?
  • Wie lange dauert es in der Regel von der Anzeige eines Mangels bis zu dessen Behebung?
  • Inwiefern sind die Räume an Bremer Bildungseinrichtungen derzeit mit einer augenfreundlichen Beleuchtung ausgestattet? Gibt es Planungen, in der Stadt Bremen Investitionen in augenfreundliche Beleuchtung voranzutreiben? Wie gestalten sich die Investitionen der vergangenen 5 Jahre in diesem Bereich?
  • Welche Schulgebäude verfügen über Photovoltaik-Anlagen mit welcher Leistung, welche eignen sich ohne weitere Ertüchtigungen der Dächer und welche eignen sich nach entsprechender statischer Ertüchtigung für die Installation von PV-Anlagen mit welcher überschlägigen Leistung und bei welchen Schulgebäuden stehen Denkmalschutzaspekte einer Photovoltaik-Nutzung entgegen?
  • Welche Kita-Gebäude des städtischen Eigenbetriebes KiTa-Bremen verfügen über Photovoltaik-Anlagen mit welcher Leistung, welche eignen sich ohne weitere Ertüchtigungen der Dächer und welche eignen sich nach entsprechender statischer Ertüchtigung für die Installation von PV-Anlagen mit welcher überschlägigen Leistung und bei welchen Gebäuden stehen Denkmalschutzaspekte einer Photovoltaik-Nutzung entgegen?
  • Wie bewertet der Senat den aktuellen Zustand der Bremer Bildungseinrichtungen hinsichtlich der energetischen Standards, welche Daten werden dafür erhoben und was sind die energetischen Sanierungsziele in den kommenden fünf Jahren (bitte den Zustand und die Bedarfe je Schule und Kinderbetreuungseinrichtung sowie geplanter Dauer bis zur Verbesserung auflisten)?
  • Wie bewertet der Senat die Ausstattung und den Sanierungsbedarf sowie den Ausbaubedarf von Mensen an Bildungseinrichtungen der Stadt, welche Bauvorhaben wurden in den vergangenen fünf Jahren verwirklicht und nach welchem Zeitplan stehen hier Aus-, Um- und Neubauten in den kommenden fünf Jahren an?
  • Wie regelmäßig werden Sanierungsbedarfe an Bildungseinrichtungen der Stadt erhoben und auf Basis welcher Daten werden Bedarfs- und Bauplanungen vorgenommen?
  • Wie und nach welchen Kriterien reagiert Immobilien Bremen auf Formen von vorhersehbarem Verschleiß mit vorausschauender Wartung und in welchen Fällen reagiert man in welchem Abstand mit prophylaktischem Austausch, um größere Schäden an der Infrastruktur und lange Ausfallzeiten zu vermeiden (Preventive Maintenance)?
  • Inwieweit haben sich die unter Frage 16 durchgeführten vorausschauenden Wartungen als kostensparender Faktor erwiesen und wie hoch schätzt der Senat die so eingesparte Summe geblickt auf die vergangenen 5 Jahre?
  • Wie wirken sich die aktuellen Preissteigerungen für Baustoffe auf die Sanierungs- und Bauvorhaben der Stadt aus und welche Verzögerungen im Sanierungsplan ergeben sich daraus?
  • Welche Finanzierungsinstrumente kommen bei aktuellen Sanierungs- und Neubauvorhaben zum Einsatz, d. h. welchen Anteil nehmen Eigenmittel, Kommunalkredite, Fördermittel und Mittel etwa aus Private-Public-Partnership und Investorenfinanzierungen ein und wie wird die Stadt ihre Finanzierungsstrategie in Zukunft entwickeln?
  • An welchen Standorten verhindert eine überalterte Elektrik den Ausbau der Digitalisierung und wann werden diese Probleme abgebaut sein?
  • Welche Konzepte zur Sanierung während des laufenden Betriebs sieht der Senat vor, an welchen Standorten wurden diese erprobt und wo sieht der Senat hier noch konzeptuellen Entwicklungsbedarf?
  • Welche Behörden und kommunalen Eigenbetriebe zeichnen für den Aus- und Umbau der baulichen Struktur der Bildungseinrichtungen verantwortlich, welche Formen der Kooperation sind hier etabliert und wie bewertet der Senat diese auf Grund welcher Daten?
  • Sieht der Senat Verbesserungspotential in der Zusammenarbeit der in der vorausgehenden Frage genannten Institutionen – wenn ja, wie kann dieses charakterisiert werden und wie, wann und durch wen werden einzelne Verbesserungsschritte umgesetzt?
  • Wie viele Neubauprojekte für Kita- und Schulbauten muss der Senat in den kommenden Monaten veranlassen, um den Bedarf an Kita- und Grundschulplätzen mit Ganztagsanspruch zu decken bzw. alle Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen aufzunehmen und mit welchen Baukosten rechnet der Senat dafür?
  • Wie hat sich die Personal- und Zuständigkeitsstruktur bei Immobilien Bremen angesichts der enormen Bauaufgaben in den vergangenen fünf Jahren verändert und welche Anpassungen müssen hier in den kommenden Jahren vorgenommen werden?
  • Mit welchen organisatorischen Maßnahmen (Personal, Priorisierung) hat die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau innerhalb der Behörde in den letzten Jahren reagiert, um die Bau- und Sanierungsvorhaben an den Bildungseinrichtungen der Stadt schnell verwirklichen zu können?