Qualifizierte Leichenschau in Bremen: Viel Aufwand, wenig Nutzen?

Kleine Anfrage der Fraktion der FDP.

Im Jahr 2017 hat das Land Bremen das Gesetz über das Leichenwesen neu gefasst und mit der Einführung einer qualifizierten Leichenschau die Todesfeststellung von der eigentlichen Leichenschau getrennt. Seitdem muss jeder Sterbefall im Land Bremen nach der ärztlichen Feststellung des Todes durch den Haus- oder Notarzt zusätzlich von besonders qualifizierten Leichenschauärzten untersucht werden, die anschließend eine äußere Leichenschau vornehmen. 

Erklärtes Ziel des zweistufigen Verfahrens ist es, unklare Todesfälle, Tötungsdelikte und auch fehlerhaft ausgestellte Totenscheine besser entdecken zu können.

In den sechs Jahren nach Einführung dieser Pflichtuntersuchung soll ein Tötungsdelikt entdeckt worden sein, das ursprünglich als Suizid eingestuft war.

Die qualifizierte Leichenschau, die den Hinterbliebenen mit rund 223 € in Rechnung gestellt wird, ist eine herausfordernde Aufgabe, für die sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven ausreichende personelle Ressourcen zur Verfügung stehen müssen, um die zeitnahe Begutachtung sicherzustellen.

Nach nunmehr sechs Jahren bedarf es einer Bestandsaufnahme und Evaluierung, inwiefern die Einführung der qualifizierten Leichenschau die gewünschte Qualität des Leichenschauwesens im Land Bremen verbessert hat.

Die statistischen Angaben bitte bis zum Stichtag 31.08.2023 und jeweils getrennt für Bremen und Bremerhaven vornehmen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  1. Wie viele Sterbefälle wurden seit Inkrafttreten des neugefassten Gesetzes über das Leichenwesen jeweils jährlich begutachtet? 
  2. Wie viele qualifizierte Leichenschauen wurden
  3. noch am Tag des Auffindens des Leichnams,
  4. am Folgetag,
  5. erst später durchgeführt und was waren die Gründe für die spätere Begutachtung?
  6. Welche Auswirkungen haben Wochenenden und Feiertage auf die Durchführung der qualifizierten Leichenschau?
  7. Wo fanden die Begutachtungen statt?
  8. Wie bewertet der Senat die kriminalpolizeiliche Auffassung, die qualifizierte Leichenschau müsse am Leichenfundort erfolgen, und deren Umsetzbarkeit im Land Bremen?
  9. Wie bewertet der Senat die Notwendigkeit, eine zeitnahe rechtsmedizinische Untersuchung sicherzustellen und den Abstand zwischen Todeseintritt und qualifizierter Leichenschau weiter zu minimieren?
  10. Wie viele Mitarbeiter sind am Bremer Institut für Rechtsmedizin sowie im Gesundheitsamt Bremerhaven aktuell mit den Leichenschauen betraut und wie hat sich die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen sechs Jahren entwickelt?
  11. Wie viele zweite Leichenschauen waren darüber hinaus in Niedersachen vor der Einäscherung durchzuführen?
  12. Wie bewertet der Senat die Arbeitsbelastung der Beschäftigten und den Aufwand durch die Leichenschauen?
  13. In wie vielen Fällen hat
  14. die qualifizierte Leichenschau ein übersehenes Tötungsdelikt entdeckt?
  15. sich die erstfestgestellte Todesursache von der nach der Leichenschau unterschieden?
  16. sich die Todesart durch die Leichenschau geändert?
  17. In wie vielen Fällen wurde nach einer äußeren Leichenschau eine Obduktion für notwendig erachtet?
  18. Welche Kosten hat die qualifizierte Leichenschau jeweils pro Jahr und Stadt verursacht und wie hoch waren demgegenüber die Einnahmen?
  19. Wie bewertet der Senat die Kritik von Bestattern und Angehörigen, die Leichenschau verzögere die Bestattung? Um wie viele Fälle handelte es sich dabei nach Kenntnisstand des Senats?
  20. Welche Ergebnisse hat die für 2019 vereinbarte Evaluation des bremischen Leichengesetzes ergeben und wie bewertet der Senat die in den vergangenen sechs Jahren mit der qualifizierten Leichenschau gemachten Erfahrungen?