Prostatakrebsfrüherkennung wirksam weiterentwickeln und Bremer Modellprojekt etablieren

Antrag der Fraktion der FDP Bremen.

Prostatakrebs ist schon jetzt bei Männern in Deutschland die häufigste Krebserkrankung.
Laut Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut lag der Anteil im Jahr 2020 bei 25,1 Prozent und damit vor Lungenkrebs mit 13 Prozent und Darmkrebs mit 11,7 Prozent (Stand 07.12.2023); die Zahl der Neuerkrankungen betrug rund 65.820 Fällen. Wird Prostatakrebs früh erkannt, ist er oft heilbar. Das Tückische ist allerdings, dass er im Frühstadium nur selten Beschwerden verursacht. Eine Krebsfrüherkennungsuntersuchung ist deshalb ein wichtiges Element, die Krankheit frühzeitig zu erkennen.

Der bösartige Tumor, der auch als Prostatakarzinom bezeichnet wird, kann in verschiedenen Bereichen der Vorsteherdrüse entstehen. Darüber hinaus können Gewebeveränderungen auftreten, aus denen sich im Verlauf Prostatakrebs entwickeln kann. Entstehungsursachen und verlaufsbeeinflussende Faktoren sind im Wesentlichen unbekannt, allerdings gilt ein hohes Lebensalter als ein entscheidender Risikofaktor. Heißt: Je älter ein Mann wird, desto wahrscheinlicher ist die Diagnose Prostatakrebs. Angesichts der hohen Lebenserwartung in Deutschland ist also perspektivisch von einer weiteren Zunahme der Erkrankungsrate auszugehen.
Eine aktuelle Untersuchung der Lancet Commission on Prostate Cancer bestätigt diese Annahme. Sie prognostiziert, dass sich weltweit die jährlichen Neuerkrankungsfälle bis zum Jahr 2040 im Vergleich zu 2020 verdoppeln werden (Stand 04.04.2024). Zur Verhinderung von Todesfällen durch Prostatakrebs empfiehlt die Kommission u.a. die Konzentration auf verbesserte Aufklärungs- und Früherkennungsprogramme, da eine frühzeitige Diagnose die Prognose erheblich verbessert.

In Deutschland besteht derzeit ein gesetzliches Früherkennungsprogramm für Männer ab 45 Jahren. Dieses umfasst einmal jährlich die Abfrage nach gesundheitlichen Beschwerden, die Untersuchung der äußeren Geschlechtsorgane sowie die Tastuntersuchung der Prostata. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich bei Auffälligkeiten ein Karzinom bereits im fortgeschrittenen Stadium befindet. Insgesamt ist die diagnostische Aussagekraft der Tastuntersuchung zum einen zu ungenau, insbesondere bei jüngeren Männern. Zum anderen ist die Akzeptanz der Tastuntersuchung gering. Eine Auswertung der BARMER zeigte, dass mit 12 Prozent im Jahr 2019 nur wenige Männer die Früherkennungsuntersuchung auf Prostatakrebs überhaupt in Anspruch nehmen.

Bereits im Jahr 2022 hat sich die Europäische Kommission für eine Verbesserung und Neuordnung der Prostatakrebsfrüherkennung in Deutschland ausgesprochen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Urologie setzt sich seit Jahren dafür ein, die aus den 1970er Jahren stammende Früherkennung auf Grundlage evidenzbasierter Studiendaten wirksamer und zugleich effizienter zu gestalten.
Sie empfiehlt hierfür eine risikoangepasste Früherkennung mittels einer Screening-Kette, Das auch dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeschlagenen Verfahren umfasst für Männer zwischen 50 und 65 Jahren ohne Vorbelastung neben einer fachärztlichen Beratung einen PSA-Test, der das prostataspezifische Antigen (PSA) im Blut misst. Bei niedrigem PSA-Ausgangswert ist eine Wiederholung des Tests nach 5 Jahren vorgesehen, bei einem mittleren Wert nach 2 bis 4 Jahren.
Bei erhöhtem PSA-Werte erfolgt eine weitere Risikoabschätzung und bei abklärungsbedürftigen Befunden eine multiparametrische MRT, auf die je nach Befund entweder eine weitere klinische Beobachtung oder bei höhergradigem Verdacht eine Biopsie folgt.

Die vorgeschlagene Screening-Kette führt aus Sicht der Fachgesellschaft nicht zu Überdiagnostik und Übertherapie, sondern zur besseren Früherkennung durch eine umfassende individuelle Risikobewertung, auch im Hinblick auf mögliche Therapieverfahren. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass ein PSA-Test basiertes Screening die Teilnahmebereitschaft von Männern an der Früherkennung deutlich steigern kann.

Demgegenüber gibt es in der Frauengesundheit wirksame Screening-Programme. So werden bspw. Frauen ab 50 Jahre alle zwei Jahre vom Gesundheitsamt Bremen zu einem Mammografie-Screening zur Brustkrebsfrüherkennung eingeladen. Das Mammografie-Screening ist im Jahr 2001 unter Einbindung vorhandener Gesundheitsstrukturen in Bremen als Modellprojekt gestartet und diente als Grundlage für die Entscheidung über das schließlich bundesweit eingeführte und jetzt fest etablierte Programm.

In Schweden wurden regional schon im Jahr 2020 organisierte PSA-basierte Testprojekte eingeführt. Es handelt sich dabei um keine dezidierten Forschungsprojekte, sondern vielmehr um Projekte des öffentlichen Gesundheitssystems zur effektiveren Gestaltung von Informationen und Tests, die im Ergebnis eine hohe Compliance aufwiesen.

Menschen sollten darauf vertrauen können, dass Früherkennungsuntersuchungen wirksam und zugleich effizient ablaufen. Entsprechend ist auf Basis der Empfehlung der Europäischen Kommission ein zeitgemäßes Prostatakrebs-Screening, auf den Weg zu bringen, das dazu beiträgt, sowohl diejenigen Männer mit erhöhtem Risiko frühzeitig zu entdecken als auch diejenigen mit niedrigem Risiko sicher zu klassifizieren.
Gemäß Datenauswertung für das Jahr 2021 im Bremer Krebsregister sind im Bundesland Bremen 2.085 Männer neu an Krebs erkrankt, 497 von ihnen an Prostatakrebs. Angesichts des damit hohen Anteils von rund 23,8 Prozent sollte der Bremer Senat Anstrengungen unternehmen, auf eine zeitgemäße Früherkennungsstrategie von Prostatakrebs hinzuwirken und im Rahmen eines Modellprojekts ein innovatives – und bspw. im Sinne des Innovationsfonds förderfähiges – Versorgungskonzept zu erproben.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. sich auf Bundesebene für eine Weiterentwicklung der Früherkennung von Prostatakrebs einzusetzen, die entsprechend aktueller Studienlage und Empfehlung der Europäischen Kommission auf einem risikoadaptierten Screening mittels PSA-Test basiert.
  2. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass auf ein Einladungs- und Erinnerungssystem zur Früherkennung von Prostatakrebs – analog zur Mammographie – hingewirkt wird.
  3. die aktuelle Versorgungssituation der Früherkennung von Prostatakrebs im Land Bremen systematisch zu erfassen und die Prozessqualität zu bewerten.
  4. die voraussichtlichen Fallzahlen und Kosten eines Prostatakrebs-Screenings auf Basis von PSA in Kombination mit MRT und Biopsie für das Land Bremen zu erheben.
  5. sich für ein Modellprojekt für ein risikoadaptiertes Prostatakrebs-Screening mit PSA einzusetzen und das Land Bremen damit zur Referenzregion für ein zeitgemäßes Früherkennungsverfahren zu machen.
  6. der staatlichen Deputation für Gesundheit, Pflege und Verbraucherschutz binnen sechs Monate nach Beschlussfassung über die Umsetzung zu berichten.