Kinderlockdown: puffern, mildern, kompensieren!

Positionspapier der Fraktion der FDP.

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 haben wir viel gelernt. Wir wissen besser über das Virus und die Krankheitsverläufe in den verschiedenen Altersgruppen Bescheid. Vor allem aber sind die negativen Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen auf die physische und psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen massiv.           . 

Wochenlange Schul- und Kitaschließungen, universitäre Lehre im dritten Distanzsemester und eingeschränkte Freizeitangebote bleiben nicht ohne Folgen. Studien belegen: Depressionen, Angst- und Essstörungen nehmen zu; Sprachkompetenzen und motorische Fähigkeiten schon bei sehr kleinen Kindern entwickeln sich rückläufig; die Bildungs- und Bindungslücken werden täglicher größer. 

Elternbefragungen belegen, dass sich die tägliche Lernzeit durchschnittlich von 7,4 auf 3,6 Stunden reduziert hat, der Konsum elektronischer Unterhaltungsmedien aber gleichzeitig um fast 30% gestiegen ist. Neben Wissens- sind Vertrauenslücken entstanden – eine Folge von mangelndem Online-Unterricht, Einsamkeit, seltenen persönlichen Gesprächen und fehlendem Feedback. 

Zwei Drittel der Schulen in Deutschland haben für den Fernunterricht kein Gesamtkonzept und bei digital gestütztem Lernen besteht noch immer großer Nachholbedarf. Die Lernenden wünschen sich für künftigen Fernunterricht häufigeres Feedback, mehr Videokonferenzen und Erklärvideos sowie eine bessere Organisation.

Distanz mit Verbindlichkeit 

Mit iPads wurde in Bremen und Bremerhaven die technische Basis für das Distanzlernen gelegt. Für die bevorstehenden Wochen der Schließung aber brauchen wir Verbindlichkeit. Deshalb fordern wir:

  • Der Distanzunterricht muss eine systematische Lernstruktur und einen täglichen Lernrhythmus abbilden. Stapel von wochenweise auszufüllenden Arbeitsblättern werden dem nicht gerecht. 
  • Wird die Schulpflicht nicht in Präsenz umgesetzt, muss sie mit dem Angebot von Videokonferenzen erfüllt werden. Ob Videokonferenzen stattfinden oder nicht, darf nicht auf Freiwilligkeit beruhen und vom Engagement der Lehrkraft abhängen. 

Distanzlernen braucht Regelmäßigkeit. Wichtig ist ein verbindlicher Plan für Videokonferenzen. Es ist nicht das Ziel, den üblichen Stundenplan am Bildschirm abzuarbeiten. Pausen, bildschirmfreie Arbeitszeiten und online-

  • Gruppenphasen müssen jeden Distanzlerntag verbindlich rhythmisieren und in den Familien einen verlässlichen Lernalltag eröffnen.
  • Sinnvoll digital aufbereitetes Material für das Lernen zuhause muss der Standard und nicht die Ausnahme sein, das ermöglicht allen Schülerinnen und Schülern Lernfortschritte.
  • Wie das dreidimensionale Klassenzimmer muss sich auch der virtuelle Klassenraum täglich öffnen. Nur so wird regelmäßiger Austausch sichergestellt, nur so können Lernschwierigkeiten oder Probleme im familiären Umfeld erkannt werden.
  • Nach wie vor mangelt es an IT-Betreuern für die Einrichtung und Wartung von Hart- und Software. Hier muss dringend nachgesteuert werden, damit alle Akteure an jeder Bildungseinrichtung einen Ansprechpartner haben.
  • Der regelmäßige Kontakt von Kindern und Jugendlichen zu Lehrerinnen und Lehrern sowie Erzieherinnen und Erziehern muss garantiert sein, mind. 2x pro Woche muss es verpflichtend zum persönlichen Kontakt kommen.
  • Kindertagestätten und Schulen müssen alle Möglichkeiten von Outdoor-Begegnungen (bspw. gemeinsamer Sport von 5 Kindern oder Jugendlichen) ausnutzen und jedem Kind und jedem Jugendlichen ein entsprechendes Angebot machen. So bleibt ein Minimum an sozialem Umgang gewahrt.
  • Alle Familien sind noch einmal über Hilfestrukturen und Notfallnummern zu informieren, damit sie in familiären Krisensituationen Unterstützung finden.
Hilfe mit Struktur

Die beschriebenen Maßnahmen sollen die negativen Folgen einer erneuten Schul- und Kitaschließungen abmildern und mindestens teilweise kompensieren. Die negativen Auswirkungen des monatelangen pandemischen Ausnahmezustandes auf die psychische und physische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und was nötig ist, um die Folgen nachhaltig zu bewältigen, thematisiert unser Antrag „First Things First: Physische und psychische Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche nicht ignorieren!“

Zahlen und Daten
  • L. Wößmann et al., Bildung in der Coronakrise, in: Ifo Institut, Ifo Schnelldienst 9/2020, 25ff.
  • A. Wacker et al, „Sind doch Corona-Ferien, oder nicht?“ Befunde einer Schüler*innenbefragung zum „Fernunterricht“, in: Die Deutsche Schule, 16. Beiheft 2020, S. 79ff.
  • O Köller et al., Pädagogische und didaktische Anforderungen an die häusliche Aufgabenbearbeitung, in: Die Deutsche Schule, 16. Beiheft 2020, S. 163ff.