Bremen braucht einen Kinderbeauftragten – JETZT ist der richtige Zeitpunkt!
Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FDP.
Der Antrag „Kinder stärken, Zukunft sichern! Die Stadt Bremen braucht einen Kinderbeauftragten“ (Drs. 20/303 S) vom September 2020 führt im Begründungstext die Notwendigkeit eines Kinderbeauftragten aus. Er fordert, die Position eines Kinderbeauftragten als Bindeglied zwischen Verwaltung und Politik in der Verwaltungsspitze einzurichten und so auszustatten, dass die Rechte und Interessen der Kinder und Jugendlichen gemäß der UN-Kinderrechtskonvention gewahrt werden.
Der Begründungstext der genannten Vorlage hat nach wie vor seine Gültigkeit, seine Dringlichkeit aber hat sich noch einmal verändert, weshalb die Forderung hier mit Nachdruck wiederholt und erneut zur Abstimmung gestellt wird:
Noch deutlicher als im vergangenen Jahr werden nun die vielfachen negativen Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sichtbar. Viele Punkte sind im Antragstext zum Kinder-Krisen-Gipfel ausgeführt und gelten unverändert (Drs. 20/952 als Neufassung der Drs. 20/926). Hinzu kamen so schreckliche Nachrichten wie der Anstieg an Gewalt und die massive Zunahme und Verbreitung von Zeugnissen sexueller Gewalt an Kindern im Internet. Die am 26. Mai 2021 veröffentlichte Sonderauswertung der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) beschreibt eine unerträgliche Entwicklung. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung wies in der begleitenden Pressekonferenz darauf hin, dass sich hinter diesen Zahlen zehntausendfaches Leid verberge und gleichzeitig doch nur ein kleiner Ausschnitt einer unerträglichen Realität erfasst wird. Erschreckend, auch das macht der Bericht deutlich, dass Jugendliche derartiges Material oft ohne pädosexuelle Motivation untereinander weiterleiten. Die mehrfach ratifizierten Kinderrechte werden noch immer und in manchen Bereichen mehr als je zuvor auf vielfache Weise verletzt. Deshalb müssen Gesundheit und Gleichheit, das Recht auf Bildung, auf Spiel und Freizeit, auf eine gewaltfreie Erziehung und der Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung mit starker Stimme immer wieder eingefordert werden.
Im Mai 2021 hat die Bremische Bürgerschaft (Land) ein deutliches Signal gesetzt: Sie hat mit überwältigender Mehrheit die Änderung der Bremer Landesverfassung beschlossen und sich damit selbst auf die Agenda geschrieben, „das Wohl des Kindes wesentlich zu berücksichtigen“ (Drs. 20/878). Außerdem haben Kinder nun einen Anspruch darauf, in eigenen Angelegenheiten beteiligt zu werden und ihre Vorstellungen sind stets gemäß Alter und Reife zu berücksichtigen. Im Verfassungstext steht auch, dass die Verfassung Staat und Eltern verpflichtet, allen Kindern gerechte Lebenschancen entsprechend der Talente und Neigungen zu ermöglichen. Sehr eindrücklich rief die Justizsenatorin Claudia Schilling in der Debatte alle Parteien auf, diese nun fest in der Landesverfassung verankerten Kinderrechte auch zu konkretisieren und im politischen Handeln umzusetzen.
Nahezu zeitgleich wurde mittels einer interfraktionell geeinten Initiative beschlossen (Drs. 20/952 als Neufassung der Drs. 20/926), die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die physische und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auf einem Kinder-Corona-Gipfel interdisziplinär zu beraten, um ein sinnvolles, ressortübergreifendes Maßnahmenpaket zu schnüren, damit es den Kindern und Jugendlichen im Land Bremen zukünftig wieder besser geht.
Das deutliche Signal, das die Bremische Bürgerschaft mit diesen Beschlüssen ausgesandt hat, darf kein einmaliges sein, sondern muss zum Grundton im politischen Handeln werden. Am 1. Juni wird weltweit der internationale Kindertag begangen. Das ist ein guter Anlass, sich dauerhaft darauf festzulegen, die Interessen der Kinder und Jugendlichen nachhaltig in den Mittelpunkt politischen und gesellschaftlichen Handels zu stellen. Mit einem Kinderbeauftragten hätte die Stadt Bremen einen Organisator, Moderator und ein Sprachrohr kindlicher Interessen im öffentlichen Diskurs. Das dichte Netz ganz unterschiedlicher Beauftragter für verschiedene Interessengruppen zeigt, wie gut das durch eine solche Mittlerrolle gelingen kann.
Kinder- und familienpolitische Themen berühren nie nur ein Ressort. Auf allen politischen Ebenen fallen regelmäßig Entscheidungen, die den Alltag von Kindern und Jugendlichen sowie den der Familien und Institutionen, in denen sie leben und heranwachsen, ganz unmittelbar berühren. Neben den staatlichen Institutionen sind es die vielen zivilgesellschaftlichen Akteure, die das Aufwachsen der kommenden Generation begleiten. Die Pandemie und die Pandemiepolitik im Bund aber haben gezeigt, wie schnell die Interessen dieser großen gesellschaftlichen Gruppe in den Hintergrund geraten und nicht mitbedacht werden. Gerade um den vielfachen Auswirkungen der Pandemie entschieden entgegentreten zu können, bedarf es zukünftig einer engen Koordination zwischen allen Beteiligten. Auch die Kinder und Jugendlichen selbst brauchen einen eindeutig zugeordneten Ansprechpartner, der stets in ihrem Sinne die Stimme erhebt und ihre Interessen konstant und nachhaltig vertritt. Das ist Grundvoraussetzung, um auch die vom Bund kommenden Mittel zur Abmilderung der Corona-Folgen sinnvoll und zielgerichtet einzusetzen. Alle Vorhaben und Vorschriften sollen darauf geprüft werden, ob sie den Kindern und Jugendlichen nutzen, ihnen schaden oder sie nicht tangieren, denn ohne Kinder und Jugendliche ist kein Staat zu machen. Und Krisen überwinden wir am besten mit starken Kindern, Jugendlichen und Familien gemeinsam.
Die Stadtbürgerschaft möge beschließen:
Die Stadtbürgerschaft fordert den Senat auf, die Position eines Kinderbeauftragten als Bindeglied zwischen Verwaltung und Politik in der Verwaltungsspitze einzurichten und so auszustatten, dass die Rechte und Interessen der Kinder und Jugendlichen der Stadt Bremen gemäß der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 und der Bremischen Landesverfassung tatsächlich gewahrt werden.