Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen: Pilotprojekt zur kontrollierten Anwendung im Stadion
Dringlichkeitsantrag der FDP-Fraktion Bremen.
Fußball ist für viele Menschen eine Leidenschaft mit tief verwurzelten Emotionen. Entsprechend groß ist derzeit die Begeisterung, dass mit der UEFA EURO 2024 das erste Mal seit 2006 wieder ein großes Herren-Fußball-Turnier in Deutschland stattfindet.
Die vielen aktiven Fanszenen in Deutschland finden in der breiten Öffentlichkeit leider viel zu oft nur dann breite Erwähnung, wenn etwas Negatives passiert ist. Dabei pilgern Spieltag für Spieltag viele hunderttausende Menschen in die Stadien. Menschen aller Geschlechter, aller Religionen und jeglicher Herkunft feuern gemeinsam ihre Mannschaft an. Der überwiegende Teil der aktiven Fanszenen in Deutschland bietet Menschen eine niedrigschwellige gesellschaftliche Teilhabe.
Die aktiven Fans treffen sich dabei nicht nur im Stadion, sondern entwickeln und erstellen gemeinsam Choreografien, die dann stolz an den Spieltagen im Stadion präsentiert werden. Zu vielen dieser Choreografien gehören seit Jahren auch verschiedenste pyrotechnische Elemente. Pyrotechnik ist dabei Ausdruck der emotionalen Hingabe der Fans für ihren Verein. Die Stimmung in den Stadien, auch erzeugt durch Pyrotechnik, ist Teil der Faszination Fußball.
Dabei ist das Verwenden von Pyrotechnik in den Stadien seit Jahren strikt verboten. Ein Verbot, das seit ebenso langer Zeit durch Sicherheitskräfte, Vereine und Verbände nicht durchgesetzt werden kann. So wird trotz Verbot in den Stadien weiterhin unkontrolliert Pyrotechnik verwendet. Dies führt dann zu Geschehnissen wie bei der Zweitligapartie zwischen dem Karlsruher SC und dem FC St. Pauli am 12. November 2022, bei der nach Informationen des SWR zehn Zuschauer aufgrund des unsachgemäßen Gebrauchs von Pyrotechnik verletzt wurden.
Mithin muss daher festgehalten werden, dass das strikte Verbot von Pyrotechnik in Stadien keine Verbesserung für die Sicherheit der Zuschauer gebracht hat. Das Gegenteil ist der Fall. Hierauf weisen auch diverse Fangruppen und -initiativen hin. Sie fordern seit langem einen Dialog ein und machen konstruktive Vorschläge, wie legal und so auch kontrolliert und verantwortlich Pyrotechnik in den Stadien verwendet werden könnte. Die Kampagne „Pyrotechnik Legalisieren“, welche von mehr als 50 deutschen Ultragruppen initiiert wurde, fordert das Schaffen von Rahmenbedingungen zum legalen Einsatz von Bengalischen Feuern und Rauchtöpfen, wobei sie Böllern, Kanonenschlägen, Knallkörpern, Leuchtspurgeschossen sowie natürlich auch dem „Entsorgen“ der Bengalischen Feuer in den Innenraum des Stadions und die Nachbarblöcke eine klare Absage erteilen. Ein positives Beispiel wie dies funktionieren kann, zeigte bereits vor über zehn Jahren der sogenannte „Chemnitzer Weg“ auf.
Seinen Ursprung hat der „Chemnitzer Weg“ in einigen Aktionen, bei dem vor dem Block der Chemnitzer Ultras beim Einlaufen der Mannschaften Bengalische Feuer gemäß den gesetzlichen Vorgaben kontrolliert abgebrannt wurden. Diese Perfomances wurden zuvor zwischen Verein, Fans, Polizei und Ordnungsamt abgestimmt. Nach den ersten erfolgreichen Verläufen dieser kontrollierten Pyroaktionen ist der „Chemnitzer Weg“ weiterentwickelt worden. Dabei stützt sich das Konzept auf folgende Eckpunkte:
- abgesperrter Bereich im Block
- feste Zuweisungen von Personen und Verantwortungsbereichen
- ausschließliche Nutzung von Rauchfackeln, die nicht unter das Sprengstoffgesetz fallen
- feste Zuweisung von Zeitpunkten vor oder nach dem Spiel, um den Spielbetrieb nicht zu beeinflussen
Unter Einhaltung dieser Eckpunkte gab es in der Vergangenheit kontrollierte Pyroaktionen. Und dennoch wurde weder von Seiten der Fußballverbände noch der Gesetzgeber am strikten Verbot von Pyrotechnik in Stadien etwas geändert. Vielmehr wurde offen über härtere Strafen nachgedacht, obwohl bekanntlich die abschreckende Wirkung von Strafen nicht von deren Härte, sondern vielmehr vom Entdeckungsrisiko ausgeht. Das Risiko entdeckt zu werden, ist aber trotz zum Teil umfangreicher Videoüberwachung in den Stadien eher gering, da auch hier die Fans entsprechende Gegenstrategien entwickelt haben.
Daher ist es an der Zeit, die Spirale aus Kriminalisierung der Fans und der Gefährdung der Zuschauer durch die Möglichkeit des legalen und verantwortungsbewussten Abbrennens von Pyrotechnik im Stadion zu durchbrechen.
Dass Pyrotechnik kein Verbrechen ist, sieht nunmehr auch die Stadt München so, die die von der UEFA geplante Pyroshow bei der Eröffnung der EM 2024 ohne Beanstandungen genehmigt hat. Der Einsatz von Pyrotechnik bei der UEFA ist mithin ein Signal für die Fans, denen kontrollierte Pyroaktionen ebenso erlaubt sein sollten.
Beschlussempfehlung:
Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
- gemeinsam mit Fanvertreterinnen und Fanvertretern, Vereinen und dem Bremischen Fußballverband sechs Monate nach Beschlussfassung mindestens sechs Pilotaktionen, bei denen nach Vorbild des „Chemnitzer Weges“ Pyrotechnik im Weserstadion auf Platz 11 und im Stadion am Panzenberg kontrolliert abgebrannt werden darf, zu planen und durchzuführen;
- die Planung und Durchführung der Aktionen jeweils wissenschaftlich begleiten und auswerten zu lassen;
- der staatlichen Deputation für Inneres und der staatlichen Deputation für Sport spätestens neun Monate nach Beschlussfassung über die Ergebnisse der Pilotaktionen Bericht zu erstatten.