Neue Impulse für die Hafenpolitik im Land Bremen: Nachhaltige und zukunftsorientierte Weiterentwicklung des Hafenstandorts Bremerhaven!

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen der FDP und der CDU.

Die globalen Seehäfen und die damit verbundenen Handelsnetzwerke haben eine lange Geschichte. Seehäfen und Seefahrt verbinden die globalen Märkte, Produktionsstätten und Arbeitsmärkte. Sie sind zentrale Motoren der Integration in einem sich andauernd wandelndem globalen Wirtschaftssystem. Auch wenn sich Fracht und Technologien deutlich gewandelt haben, bleiben die originäre Rolle und Funktion der Häfen weitgehend ähnlich und werden lediglich durch verschiedene Faktoren ergänzt. Einen regen Wandel und wechselnde Anforderungen hingegen gibt es hinsichtlich der Größe, der Komplexität, der Spezialisierung sowie an die Infrastrukturbedingungen der unterschiedlichen Häfen weltweit.
Den Wandel der internationalen Seehäfen gibt es nicht erst seit der Corona-Pandemie. So dynamisch wie sich die internationalen Handelsstrukturen erneuern und sich die Handelsflotten an die Handelsmuster anpassen, so entwickeln sich auch die Seehäfen und die dazugehörige Infrastruktur kontinuierlich weiter. Angesichts der globalen Herausforderungen, dem Wandel und den globalen Unsicherheiten, aber auch der Geschwindigkeit der Weiterentwicklung internationaler Seehäfen stehen die Bremer Häfen unter enormen Handlungsdruck. Die Corona-Krise verstärkt dabei viele Effekte, die die Herausforderungen weiter verschärfen.
Ein leistungsfähiger moderner

Hafen ist auch zukünftig ein wichtiger Standortfaktor für die Region, für den Wirtschaftsraum, den Arbeitsmarkt, aber auch für das Hinterland. Er erfüllt eine überregionale Funktion. Häfen haben neben einer strategischen immer auch eine erhebliche wirtschaftliche Relevanz. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der deutschen Häfen wird oftmals unterschätzt: So kommt eine Studie des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) aus dem Jahr 2019 auf einen Gesamteffekt auf 5,6 Mio. Beschäftigte in Deutschland, einer Wertschöpfung von etwa 400 Mrd. Euro und einem Umsatz von rund 1.000 Mrd. Euro. Sie sind zudem mit ihren spezifisch-funktionalen Eigenschaften ein wichtiger Teil eines globalen Systems. Auch die bremischen Häfen leisten einen wertvollen Beitrag zum internationalen Handel und zur globalen Integration der Märkte.
Die beiden größten Standbeine in Bremerhaven, der Auto- und Containerumschlag, sind bereits seit einiger Zeit rückläufig. Das liegt nicht nur in der Konkurrenzsituation mit den Westhäfen begründet, sondern lässt sich auch auf die allgemeine Situation in diesen Geschäftsfeldern zurückführen. Beim Autoumschlag werden die Neuausrichtung der Autoindustrie auf alternative Antriebe und neue Mobilitätsmodelle auch weiterhin für reduzierte Mengen und geänderte Arbeitsabläufe sorgen. Die Art und der Umfang des Containerumschlags sowie die Schiffsrouten werden sich in Zukunft weiter wandeln. Der Bedarf an Containerumschlag ist in der Vergangenheit in die Höhe geschossen, davon hat bis 2008 auch Bremerhaven stark profitiert, spätestens seit 2012 ist dieser Trend am Hafenstandort Bremerhaven jedoch gebrochen und der Containerumschlag rückläufig. Die langfristigen Folgen sind für den Standort noch nicht absehbar, jedoch muss damit gerechnet werden, dass dieser Kurs sich mittel- bis langfristig einpendelt und der Containerumschlag langfristig stagnieren wird.


Diese Tendenz kann bestenfalls durch massive und konsequente Investitionen in die Hafeninfra- und Suprastruktur sowie in bessere Kooperationen umgekehrt werden und nur so wieder zu Zuwachsraten und wirtschaftlichen Vorteilen führen. Die langfristige Sättigung der containerisierbaren Produkte, neue Technologien, neue Handelsrouten, Hafengroßprojekte wie in Singapur und die Projekte rund um die Neue Seidenstraße sowie einer schrittweisen Abschottung wichtiger Handelsstaaten sowie Veränderungen der Produktionsketten können zu weiteren Unsicherheiten und Risiken für den Hafenstandort Bremerhaven implizieren und mittel- bis langfristig zu Standortverlagerungen führen.
Diese Situation macht deutlich, dass ein angestrebtes Wachstum des Hafens in Bremerhaven einen tiefgreifenden und nachhaltigen Wandel des Hafens bedeutet. Der maritime Standort muss im harten globalen Wettbewerb gestärkt und weiterentwickelt werden. Die Häfen in Bremerhaven brauchen neue Wachstumsimpulse.


Ein solcher Impuls würde zum Beispiel von einem multimodalen Terminal ausgehen, das die Bereiche Schwergut, massenhaftes Stückgut und Offshore bedient. Auch wenn das kürzlich erfolgte Urteil des Oberverwaltungsgerichts gegen das OTB voraussichtlich das Ende der Planungen für dieses wichtige Segment an dem vorgesehenen Standort bedeuten könnte, darf es nicht das Ende der Bemühungen in diesem zukunftsträchtigen Bereich sein. Wir stehen erst am Anfang des Ausbaus der Offshore Windpark Kapazitäten. Bis 2045 soll nach Plänen des Bundes ein Ausbau der Offshore Windenergie auf 70 Gigawatt erfolgen. Dafür müssen weitere Kapazitäten für den Aufbau und den Unterhalt der Anlagen zur Verfügung gestellt werden. Zu berücksichtigen sind gleichzeitig auch das Repowering und die Entsorgung von ausgedienten Anlagen. Eine Kopplung mit den Plänen zur Entwicklung eines Kompetenzzentrums für die Wasserstoffentwicklung würde sich gleichfalls anbieten. Für Bremerhaven besteht hier eine große Zukunftschance.


Derzeit ist jedoch unklar, ob angesichts steigender Umweltanforderungen und der dauerhaften Blockade von Umweltverbänden überhaupt neue Flächen für ein solches Terminal gewonnen werden können. Daher ist es wichtig, neben möglichen potenziellen Flächen zur Neuerschließung auch bestehende Flächen auf ihre effiziente und nachhaltige Nutzung zu überprüfen. Über eine solche Flächeneffizienzanalyse kann eine entsprechende Fläche für ein multimodales Terminal gefunden werden. Darauf aufbauend muss eine Infrastruktur für die zukünftige Ausrichtung geschaffen werden, dabei ist die weiterfortschreitende Digitalisierung und Automatisierung bei der Hafenentwicklung von Vorhinein zu berücksichtigen und in den Prozess zu integrieren.


Unsere Fraktionen setzen sich für neue Wachstumsimpulse für eine tatsächlich nachhaltige Weiterentwicklung der Häfen in Bremerhaven ein. Nachdem der OTB nun gescheitert ist, müssen wir die vorhandenen Flächen optimal nutzen. Das weitere juristische Gezerre um die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes und das Einlegen der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht kostet wertvolle Zeit und personelle Kapazitäten, entscheidende Ressourcen, die für eine innovative, zukunftsfähige Zukunftsplanung so dringend gebraucht werden. Der globale Wettbewerb wartet nicht, bis lokale Differenzen juristisch geklärt sind, er findet an anderen Standorten neue Lösungen und hängt Bremerhaven immer weiter von den aktuellen Entwicklungen ab.


Doch die Häfen in Bremerhaven haben eine Zukunft. Dringendes Anliegen muss es sein, den Standort, die Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieses Wirtschaftssektors zu erhalten und nachhaltig zu stärken. Insbesondere für den Bereich High and Heavy braucht Bremerhaven Verlademöglichkeiten, wofür CT1, die ABC-Halbinsel oder die neue Westkaje des Fischereihafens geeignet sind. Auf diesem High and Heavy-Terminal könnten die Bereiche Schwergut, Stückgut, Offshore einschließlich der Entsorgung und des Repowerings vorhandener Windkraftanlagen unter der Nutzung diverser vorhandener Flächen vorgesehen werden. Über die Bedeutung von Offshore Windkraft für die Energieversorgung der Bundesrepublik gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, sodass für die logistische Umsetzung die Voraussetzungen zu schaffen sind. Eine solche Flächenplanung könnte mit der Absicht gekoppelt werden, Bremerhaven zu einem Kompetenzzentrum für die maritime Wasserstoffindustrie zu entwickeln. Um sinnvolle Flächen für ein multimodales Terminal zu identifizieren, soll eine Flächeneffizienzanalyse der vorhandenen Hafenflächen durchgeführt werden.


Zudem ist es sinnvoll, die vorhandenen Strukturen der Häfen in Bremerhaven unter Berücksichtigung des globalen Wandels und der Dynamik der weltweiten Schifffahrtsmärkte kontinuierlich zu Evaluierung und an die aktuellen Herausforderungen anzupassen. Die Digitalisierung sowie die Automatisierung sind wichtige Faktoren, um den Hafenstandort und die zugehörige Infrastruktur insgesamt nachhaltiger, kosten- und zeiteffizienter aufzustellen. Die Leistungsfähigkeit der Hafen-Hinterlandanbindung muss erhalten, ggf. geschaffen und an die zukünftigen Herausforderungen angepasst werden. Nur so können die bremischen Häfen mittel- bis langfristig ihre überregionale Funktion erfüllen und im globalen Wettbewerb überleben.

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, im Zuge der laufenden Erarbeitung des „Zukunftskonzeptes Hafen 2035“

  1. eine Flächeneffizienzanalyse der vorhandenen Hafenflächen in Bremerhaven für ein multimodales Terminal vorzulegen und dafür Freiflächen auf Nutzungsmöglichkeiten und Restriktionen zu untersuchen,
  2. das geplante Gewerbegebiet „Lune Delta“ im Süden Bremerhaven über eine schwerlastfähige Kaje an der Westseite des Fischereihafens II an das Hafenbecken anzubinden, um die Standortgunst für Unternehmen zu erhöhen, die auf einen wasserseitigen Umschlag angewiesen sind,
  3. ein Konzept für die Umnutzung und Nachverdichtung von bislang als Parkplatz genutzte ebenerdige Flächen in der Nähe der stadtbremischen Überseehäfen zur Ansiedlung von Unternehmen aus Zukunftsindustrien und hafenbezogenen Mehrwertdienstleistungen vorzulegen, hierbei ist sicherzustellen, dass der Parkbedarf unter anderem durch eine effizientere Nutzung der vorhandenen Parkhäuser und gegebenenfalls durch die Aufstockung der Parkhäuser oder den Neubau weiterhin sichergestellt wird,
  4. eine Digitalisierungsstrategie für die Bremischen Häfen vorzulegen, die die verschiedenen Einzelprojekte aus Forschung und Praxis miteinander verzahnt, koordiniert und in die Praxis übersetzt, um das Zielbild eines „Smart Port“, der in eine digitale Lieferkette eingebunden ist, zu verwirklichen,
  5. eine Digitalisierungsstrategie für die Bremischen Häfen vorzulegen, die die verschiedenen Einzelprojekte aus Forschung und Praxis miteinander verzahnt, koordiniert und in die Praxis übersetzt, um das Zielbild eines „Smart Port“, der in eine digitale Lieferkette eingebunden ist, zu verwirklichen,
  6. sich in diesem Zusammenhang für die Einrichtung einer zentralen Datenplattform („Data Hub“) zum Datenaustausch zwischen allen am Hafen Beteiligten sowie zur Errichtung eines „Pre Gate“ in Autobahnnähe einzusetzen, auf dem ein vorgelagerter „Check-in“ der Container mithilfe eines dynamischen LKW-Slot-Buchungsverfahrens erfolgt,
  7. ein Konzept zur Fachkräftegewinnung und -sicherung in den Häfen sowie zur Fortbildung und Umqualifizierung derjenigen Beschäftigten vorzulegen, deren Tätigkeitsfelder und berufliche Anforderungen sich im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung verändern werden,
  8. sich auf Bundesebene verstärkt für eine schnelle Umsetzung einer nationalen Hafenstrategie einzusetzen, in der insbesondere auch die Belange und Herausforderungen des Landes Bremen berücksichtigt werden,
  9. dem Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen im Lande Bremen innerhalb von sechs Monaten nach Beschlussfassung über den aktuellen Sachstand zu berichten.