Zunahme krankheitsbedingter Frühpensionierungen von Lehrkräften auch im Land Bremen?

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

In Zeiten enormen Fachkräftemangels an Schulen sind krankheitsbedingte Frühpensionierungen von Lehrkräften ein gesellschaftliches, volkswirtschaftliches und sozialmedizinisches Problem. Studien zeigen, dass der Anteil von Lehrerinnen und Lehrern, die auf Grund gesundheitlicher Beschwerden vorzeitig in den Ruhestand eintreten, etwa 60% der jährlichen Ruhestandseintritte ausmacht. Der gesundheitliche begründete Ausstieg aus dem Beruf erfolgt dabei im Durschnitt etwa zehn Jahre bevor die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt erreicht wird. Sozialmedizinische Untersuchungen zeigen, dass viele Frühpensionierungen auf Grund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen erfolgen. Auffällig ist außerdem, dass die Prävalenz bei Lehrerinnen höher ist als bei Lehrern. Etwa 22% der Lehrkräfte waren dauerhaft dienstunfähig und wurden zum Versorgungsfall. Diesen Trend beschreibt auch der siebte „Versorgungsbericht der Bundesregierung“ vom März 2020, nachdem die Zahl der Frühpensionäre auf einen Rekordwert gestiegen ist. Dass pandemiebedingt die Belastung im Beruf höher ist, steht außer Frage. Nachwirkungen einer Infektion mit Corona können Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich gesundheitlich belasten und es ihnen unmöglich machen, ihren Beruf weiter auszuüben.

In Zeiten enormen Fachkräftemangels ist diese Entwicklung höchst besorgniserregend. Alarmierend sind die Ergebnisse der DAK-Studie „Lehrergesundheit. Was hält Lehrkräfte gesund?“ (Hamburg 2021).  Nach dieser Studie glaubt fast jeder fünfte Lehrende, dass er auf Grund seiner angeschlagenen Gesundheit vorzeitig in den Ruhestand gehen muss, wobei auch hier die Lehrerinnen die Aussichten, dass sie tatsächlich bis zur Pensionierung arbeiten werden, deutlich kritischer einschätzen als ihre männlichen Kollegen. Als größte Belastungen geben sie Zeitdruck, fehlende Erholungsphasen und die großen Leistungsunterschiede der Schülerinnen und Schüler an. Auffällig ist nach der Studie außerdem, dass emotionale Beanspruchungen immer dort häufiger auftreten, wo die Schulleitung weniger mitarbeiterorientiert ist und es viel Streit im Kollegium gibt. Der erschreckende Befund der Studie erfordert nicht nur einen fürsorgenden Umgang mit dem Personal, angepasste Arbeitsschutzkonzepte und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen. Diese Entwicklung macht auch die Revision der Personalplanung im Bereich Schule notwendig. 

Die gestellten Fragen beziehen sich jeweils auf angestellte und verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  1. Wie viele Lehrkräfte treten mit Ablauf des Schuljahres 2021/2022 (bzw. zum 31.07.2022) regulär und wie viele vorzeitig in den Ruhestand ein (bitte aufgliedern nach regulär, vorzeitig, Personen und VZÄL, Geschlecht und Schulform)?
  2. Haben Lehrkräfte einen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand gestellt, nachdem ein Antrag auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit gestellt und abschlägig beschieden wurde?
  3. Zu welchem Zeitpunkt bzw. mit welchem zeitlichen Vorlauf wurden die Anträge auf vorzeitigen Ruhestand gestellt?
  4. Wie und in welchem Umfang ist es Lehrerinnen und Lehrern im Land Bremen möglich, ihre Wochenarbeitszeit aus eigenem Entschluss zu reduzieren und welche bürokratischen Formalitäten müssen dafür erfüllt werden?
  5. Welche Formen der Fürsorge des Arbeitgebers gibt es bei längeren Krankheitsphasen, um eine Frühpensionierung abzuwenden und welche individuellen Regelungen sind in den vergangenen fünf Jahren getroffen worden, um eine Lehrkraft doch im Schulbetrieb zu halten?
  6. In wie vielen Fällen gelang es in den letzten fünf Jahren, Lehrende durch individuelle Lösungen länger im Bildungsbetrieb zu halten und einen Antrag auf Frühpensionierung abzuwenden? Wie ist es gelungen?
  7. Welche Formen der regelmäßig-generellen und der individuell-persönlichen Mitarbeiterfürsorge sind im Umgang mit den Lehrerinnen und Lehrern etabliert, um herausfordernde und gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen so zu verändern, dass eine Erkrankung vermieden werden kann?
  8. Wurden auch in Bremen und Bremerhaven in den vergangenen fünf Jahren mehr Frauen als Männer frühpensioniert – wenn ja, worin sieht der Senat die Ursachen und mit welchen Maßnahmen wirkt er den negativen, geschlechterbenachteiligenden Faktoren entgegen?
  9. Zeichnet sich unter den Frühverrentungen der vergangenen fünf Jahre die Tendenz ab, dass sie geballt in einzelnen Quartieren auftreten und zeigen sich Hinweise zur Abhängigkeit der Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeitsdiagnosen von den sozialen Herausforderungen an einzeln Bildungsstandorten?
  10. Stieg auch in Bremen die Anzahl der Frühpensionierungen in den vergangenen fünf Jahren an und wenn ja, welche Gründe sind für den Anstieg verantwortlich?
  11. Ist bereits eine Tendenz erkennbar, dass in Folge der Corona-Pandemie die Zahl der Anträge auf Frühpensionierung steigt und wenn ja, wie hoch ist dieser Anstieg?
  12. Welche Maßnahmen ergreift der Senat aktuell, um die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer abzumildern?
  13. Welche spezifischen Präventions- und Interventionsmaßnahmen hat der Senat in den letzten fünf Jahren etabliert, um die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozialraum Schule zu stärken und nachhaltig zu erhalten?
  14. Welche Hilfen und Fortbildungen finden Lehrerinnen und Lehrer, um Konflikte mit Schülerinnen und Schülern, Eltern bzw. Lehrerinnen und Lehrern aktiv zu lösen?
  15. Welche Weiterbildungsformate unterstützen vor alle die Schulleitungen an ihren Schulen eine Atmosphäre der Unterstützung und Wertschätzung zu etablieren, um das soziale Klima zu verbessern und damit aktiv die Gesundheitsfürsorge positiv zu beeinflussen?
  16. Welche speziell auf die Bedarfe von Lehrerinnen abgestimmten Hilfs- und Unterstützungsangebote gibt es, um die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass auch ihnen ein Verbleib im Beruf bis zum Eintritt ins reguläre Rentenalter vorstellbar ist?