Wann schlägt sich der Standortvorteil der digitalen Ausstattung der Schulen im Land auch in den Bildungsergebnissen nieder?

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

Im August 2022 hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) den Bildungsmonitor 2022 vorgelegt. Er geht in einem Bundesländervergleich der Frage nach, wie Bildungschancen abgesichert und die Herausforderungen der Digitalisierung gemeistert werden können. Zum 19. Mal legt die INSM damit einen ausführlichen Bericht vor, in welchen Bereichen der Bildungspolitik Fortschritte erzielt werden konnten. Die Untersuchung fokussiert dabei immer auf zwei Themenbereiche: Welche Aufstiegsmöglichkeiten können für den Einzelnen geschaffen werden und wie wird die Teilhabe aller gewährleistet?

Am 9. August 2022 nahm Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte die Vorberichterstattung zur INSM-Bildungsmonitor 2022 zum Anlass, seine Freude über das gute Abschneiden im Teilbereich Digitalisierung zum Ausdruck zu bringen, was, so der Bürgermeister, deutlich macht, dass „eine aufholende Entwicklung auch unter schwierigen Bedingungen möglich ist.“ Im Tweet aber dämpft er gleichzeitig die Erwartungen und formuliert die Vorahnung, „das Gesamtergebnis (…) wird für Bremen sicherlich nicht ganz so gut ausfallen.“ Diese Vorahnung bestätigt der Vollbericht tatsächlich. Dem Platz 1 u.a. in der Digitalisierung stehen letzte Plätze in den Bereichen Bekämpfung der Bildungsarmut und Sicherung der Schulqualität gegenüber. Neuntklässler im Land Bremen schneiden bei der Überprüfung der Bildungsstandards in den Bereichen Lesen und Mathematik bundesweit am schlechtesten ab, weshalb sie von Bildungsarmut am häufigsten betroffen sein werden. Ebenso ernüchternd ist die Einschätzung der Schulqualität, die auf den Auswertungen der IQB-Vergleichstests beruht: Bremer Neuntklässler sind in den Naturwissenschaften, in Mathematik und im Bereich Lesen im Bundesvergleich am schlechtesten. Auch die Schulabbrecherquote liegt mit 8,2% im Jahr 2020, 2,5% über dem Bundesdurchschnitt von 5,8%. 

Neben den beschriebenen Ergebnissen nimmt der INSM-Bildungsmonitor noch zu einigen anderen Themen Stellung. Die vorgelegten Fragen allerdings sind durch den Widerspruch in der digitalen Ausstattung (Platz 1) und die schlechten Bildungsergebnisse (Platz 16) motiviert. Natürlich sind die Fortschritte im Bereich Digitalisierung noch sehr frisch. Zu erwarten, dass diese sich schon jetzt unmittelbar auch in den Bildungsergebnissen niederschlagen, wäre unseriös, zumal sich der INSM-Bildungsmonitor auf die IQB-Ergebnisse der letzten Jahre bezieht. Dennoch aber stellt sich die Frage, wie der eindeutige Ausstattungs- und damit Standortvorteil kurz- und mittelfristig auch zur Verbesserung der Schulqualität und damit zur Steigerung der Bildungsgerechtigkeit im Land beitragen kann. 

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse fragen wir den Senat:

  1. Welche Dienstvereinbarungen und ähnliche Verabredungen existieren aktuell mit wem zur Nutzung digitaler Endgeräte durch lehrendes Personal im Unterricht und zur Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern und im Team, wo können diese eingesehen werden und wo liegen sie transparent vor?
  2. Welche Dienstvereinbarung und ähnliche Verabredungen konnten zwar angeschoben, aber noch nicht abgeschlossen werden, gegen welche gibt es offene Verfahren zur Anerkennung und inhaltlichen Ausgestaltung und mit welchen Personen- oder Interessengruppen, wie lange dauert jeweils der Entstehungsprozess schon und wann wird er abgeschlossen sein?
  3. Welche Ideen und konkreten Maßnahmen gibt es seitens des Senats, den Ausstattungsvorteil auch zu nutzen, um die Bildungsqualität im Land zu steigern und wann rechnet die Senatorin damit, dass sich erste Erfolge auch in den lokalen, nationalen und internationalen Lernstandserhebungen und Vergleichsstudien niederschlagen?
  4. Welche Eskalationswege gibt es für Lehrerinnen und Lehrer, die vermehrt digitales Lernen setzen wollen, wenn es a) technische Probleme und b) Probleme mit didaktischen Vorgaben gibt und welcher lösungsorientierte Ansatz wird hier verfolgt?
  5. Welche digitalen Leuchtturmschulen gibt es im Land, wie werden technische Hilfsmittel und digitale Lernmittel dort für Lehre und Kommunikation verwendet, wie wird ihr Erfolg evaluiert und wann ist die Ausrollung in die Breite der Schullandschaft im Land Bremen geplant? (bitte mit Zeitplan für einzelne Schulstandorte und Schulformen darlegen)
  6. Wie stellt der Senat sicher, dass sich die Bildungsungerechtigkeit im Land nicht auch dadurch verschiebt, dass einige Schulen digitale Lernformate systematisch und selbstverständlich in ihrem Lernalltag einsetzen während andere nahezu vollständig darauf verzichten?
  7. Welche zusätzlichen Anreize werden geschaffen, um den Austausch zwischen Lehrerinnen und Lehrern mit viel Erfahrung im digitalen Lernen, auch über die eigne Schule hinaus, zu fördern?
  8. Wie bewertet der Senat die Stärken und Schwächen des Bremer Bildungssystems und wo kann der Einsatz digitaler Anwendungen förderlich wirken?
  9. Welche digitalen Instrumente/Apps/Programme und lehrmethodischen Instrumente mit digitalem Anteil werden genutzt, um die beiden größten Defizitbereiche Sprache und Mathematik zusätzlich zu fördern und zur Verbesserung der Leistung beizutragen?
  10. Welche Initiativen unternimmt der Senat, die Entschlackung des Lehrplans zugunsten moderner Lernkompetenzen voranzutreiben und welche Entwicklung und Diskussionen hat der Senat auf Bundesebene, bspw. im Rahmen der KMK, angeschoben?
  11. Wie und in welchem Umfang erfolgt schon jetzt die Anpassung der Fachcurricula für den Umgang mit digitalen Medien im Schulalltag?
  12. Welches Fortbildungsangebot – jenseits der Schulungen zum Gebrauch von it`s-learning – steht den Lehrerinnen und Lehrern in Bezug auf den Bereich der Lerndigitalisierung/des computational thinking etc. offen und wie wird dieses im Vergleich zu anderen Fortbildungsbereichen nachgefragt?
  13. Wie stellt der Senat sicher, dass die digitale Transformation des Schulalltags gelingt, welche Etappenziele wurden definiert und wie werden diese überprüft?
  14. Welche Verwaltungsprozesse den Bereich Schule betreffend (Schulwechsel, Beantragung von Sonderhilfen im Schulalltag etc.) – auch in der Kommunikation über die Schule hinaus bzw. mit der senatorischen Behörde für Kinder und Bildung – sind digitalisiert bzw. sollen digitalisiert werden (bitte mit Zeitplan für die einzelnen Bausteine darlegen)?
  15. Wann plant das Land Bremen die flächendeckende Einführung des digitalen Klassenbuches und digitaler Zeugnisse und wie ist der Stand der geplanten Umsetzung?
  16. Wie hoch ist bei der Beschaffung von Lernmaterial der Anteil von digitalen Lernwerken im Vergleich zum analogen Schulbuch und plant der Senat, bei dem Ersatz von Schulbüchern verstärkt auf das digitale Medium zu setzen und wie schlägt sich das in Handlungsanweisungen/-empfehlungen an die Schulen nieder?
  17. Werden aus Kostengründen aktuell eher gedruckte Lehrwerke in kleinen Stückzahlen durch die Schulen als Ersatz bestellt und auf die Klassenstärke abdeckende Lizenzen für digitale Lehrwerke verzichtet, wenn ja, wie sinnvoll ist dieses Vorgehen für einen stringenten Digitalisierungsfortschritt und ein nachhaltiges Hineinführen in digital gestütztes Lernen?
  18. Wie hat sich seit der flächendeckenden Ausstattung mit digitalen Endgeräten die Phase des Referendariats für angehende Lehrerinnen und Lehrer inhaltlich und organisatorisch verändert, welchen Anteil hat die digitale Lehre in dieser Qualifizierungsphase? 
  19. Welche Chancen bietet eine gute digitale Struktur, die aktuell hohe Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer zu reduzieren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern?
  20. Welche Konzepte erprobt der Senat, um in Phasen hohen Fachkräftemangels etwa mit digital gestütztem Lernen dennoch die Bildungsqualität abzusichern und zu steigern?