Menschenhandel und Zwangsprostitution – Wie stellt sich die Situation im Land Bremen dar?

Große Anfrage der Fraktion der FDP.

Viele Menschen-, Frauen- und Opferrechtsorganisationen weisen regelmäßig auf erhebliche Opferzahlen von Menschenhandel hin. Die Europäische Union schätzte, dass in Europa 2014 etwa 30.000 Menschen, meistens Frauen, von Menschenhandel betroffen waren. Eingesetzt werden sie in vielen verschiedenen Branchen, von der Gastronomie über die Reinigungsbranche hin zur Prostitution. Daneben spielt auch das Thema Bettelei eine Rolle. Die Betroffenen stammen dabei häufig aus Osteuropa, Asien oder Afrika.

Die sexuelle Ausbeutung der betroffenen in Form der Zwangsprostitution stellt dabei eine besonders dramatische Seite des Menschenhandels dar.

Seit dem 15. Oktober 2016 wird Zwangsprostitution nach § 232a StGB meist im Zusammenhang mit Menschenhandel (§ 232 StGB) in Form des Frauenhandels bestraft. Aufgrund der Erweiterung des Gültigkeitsbereiches des Strafgesetzbuches können gemäß § 6 Nr. 4 i. V. m. §§ 232a, 232 StGB auch Taten verfolgt werden, die im Ausland begangen wurden.

Laut Zahlen des Bundeskriminalamtes wurden in Deutschland 2017 wegen sexueller Ausbeutung 327 Verfahren mit 489 Opfern geführt. 127 Verfahren davon wurden wegen Zwangsprostitution geführt. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer in dem Bereich um ein Vielfaches höher liegt.

Zudem trat am 1. Juli 2017 das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Die Bundesregierung verknüpfte mit dem Gesetz gerade die Erwartung, effektiver gegen Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung sowie Zwangsprostitution vorgehen zu können.

Im April diesen Jahres machte eine groß angelegte Razzia der Bundespolizei gegen Schleuser und Zuhälter Schlagzeilen. Dabei kam es nach Medienangaben zu über 100 Festnahmen. Zudem seien zeitgleich 62 Bordelle und Privatwohnungen in zwölf Bundesländern durchsucht worden. Unter den durchsuchten Bordellen sollen sich nach Angaben von Radio Bremen auch zwei Objekte in Bremen befunden haben.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  1. Wie viele Menschen sind im Land Bremen Opfer von Straftaten nach § 180a StGB, § 181a StGB sowie §§ 232 bis 233b StGB geworden? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017 nach Straftatbestand sowie Alter, Geschlecht und Herkunft der Opfer)
  2. Wie viele der Fälle sind dem Spektrum der Organisierten Kriminalität zuzurechnen?
  3. Wie hoch ist jeweils der Anteil der Betroffenen von Menschenhandel, die in der Prostitution, durch eine Beschäftigung, durch Ausübung der Bettelei oder durch die anderen Tatbestände im Sinne des § 232 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 StGB ausgebeutet werden?
  4. Welche Erkenntnis hat der Senat zu den Branchen in Bremen, in denen im Sinne des § 232 Abs. 1 S.1 Nr. 1 lit. b StGB besonders häufig Opfer von Menschenhandel eingesetzt werden?
  5. Wie viele Durchsuchungen von Bordellen, Wohnungen oder anderen Räumen in Bezug auf Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung haben Polizei oder andere Behörden im Land Bremen in den Jahren 2015 bis 2017 durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017)
  6. Welche Erkenntnisse zum Ausmaß des Dunkelfeldes in diesem Deliktsbereich liegen dem Senat vor?
  7. Gegen wie viele Tatverdächtige wurde seit dem Jahr 2015 aufgrund des Verdachts der Verwirklichung der Straftatbestände § 180a StGB, § 181a StGB sowie §§ 232 bis 233b StGB ermittelt und zu welchem Ergebnis kamen die Ermittlungsverfahren jeweils? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017, nach Geschlecht und Herkunft der Tatverdächtigen sowie Ermittlungsergebnisse)
  8. Wie viele Taten, die Gegenstand der unter Frage 7 erfragten Ermittlungsverfahren waren, wurden im Ausland begangen?
  9. Wie viele Verurteilungen aufgrund der vorgenannten Straftatbestände gab es im Land Bremen seit dem Jahr 2015? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017, nach Geschlecht und Herkunft der Täterinnen und Täter) und welche Strafen wurden jeweils verhängt?
  10. Welche und wie viele Maßnahmen zum persönlichen Schutz von Zeuginnen oder Zeugen einschließlich möglicher Familienangehöriger in Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution gab es in den Jahren 2015 bis 2017? (Bitte aufschlüsseln nach Anzahl der beteiligten Personen und der eingeleiteten Schutzmaßnahmen?)
  11. Hat nach Auffassung des Senats das Prostituiertenschutzgesetz zur erhofften Effizienzsteigerung im Kampf gegen Zwangsprostitution beigetragen?
  1. Wenn Ja, wie drückt sich diese Effizienzsteigerung aus?
  2. Wenn Nein, wieso nicht?
  3. Inwieweit ist möglicherweise sogar ein gegenteiliger Effekt entstanden?
  4. Welche Kenntnisse über Cyber-Ausbeutung in Bremen hat der Senat, insbesondere auch im Bezug auf minderjährige Personen.
  5. Wie viele Beamtinnen und Beamten waren in den Jahren 2015 bis 2017 im für den Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution zuständigen Fachkommissariat bei der Polizei eingesetzt? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017 und für Bremen und Bremerhaven)
  6. Trifft es zu, dass bei der Polizei in Bremen und Bremerhaven Personal aus dem für den Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution zuständigen Fachkommissariat zur Terrorismusbekämpfung abgezogen wurde und wenn Ja, wie viele Kräfte wurden abgezogen und wie wirkt sich dies nach Auffassung des Senats auf den Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel aus?
  7. Welche Bedeutung misst der Senat der Präsenz von Polizeikräften im Milieu in Bezug auf die Identifizierung von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu?
  8. Inwieweit werden die Themen Menschenhandel und Zwangsprostitution in der Schule behandelt und wird dabei auf Kooperation mit nichtstaatlichen Akteuren gesetzt und inwieweit werden hierbei insbesondere Schülerinnen bezüglich der sogenannten „Loverboy-Masche“ aufgeklärt und sensibilisiert?
  9. Welche Beratungsstellen gibt es im Land Bremen für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution?
  10. Wie viele hauptamtliche und wie viele ehrenamtliche Mitarbeiter dieser Beratungsstellen beraten, betreuen und unterstützen die Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel? (Bitte nach Vollzeitäquivalenten für die Jahre 2015 bis 2017 aufschlüsseln).
  11. Aus welchen dieser Beratungsstellen sind die Fachkräfte persönlich im Milieu präsent beziehungsweise regelmäßig unterwegs?
  12. In welcher Höhe erhielten diese Beratungsstellen Zuwendungen vom Land Bremen in den Jahren 2015 bis 2017? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017)
  13. Wie werden Opfer von Menschenhandeln und Zwangsprostitution auf die Beratungsangebote aufmerksam gemacht?
  14. Inwieweit gibt es spezielle Beratungsangebote, um minderjährige und erwachsene Geflüchtete vor den Gefahren des Menschenhandels und der Zwangsprostitution zu schützen?
  15. Wie hoch war die absolute Zahl der Beratenen und wie hoch war der Anteil der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution die in den Jahren 2015 bis 2017 ein entsprechendes Beratungsangebot in Anspruch genommen haben? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und nach Geschlecht)
  16. Welche Maßnahmen hält der Senat für erforderlich um die Anzahl der Opfer, die eine entsprechendes Beratungsangebot annehmen, zu erhöhen?
  17. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten und den entsprechenden Beratungsstellen derzeit konkret aus?
  18. Gibt es in Bremen auf den Deliktsbereich Menschenhandel und Zwangsprostitution spezialisierte Staatsanwälte? Wenn Ja, wie viele? Wenn Nein, warum nicht?
  19. Welche Fortbildungsangebote gibt es für Beamtinnen und Beamten der Polizei und Staatsanwaltschaft zum Thema Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution?
  20. Wie werden diesen Fortbildungsangebote von Beamtinnen und Beamten der Polizei angenommen?
  21. Wie werden diese Fortbildungsangebote von Beamtinnen und Beamten der Staatsanwaltschaft angenommen?
  22. Wie viele Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 4a Aufenthaltsgesetz wurden im Land Bremen in den Jahren 2015 bis 2017 gestellt? (Bitte aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017, nach Geschlecht und Herkunftsland)
  23. Wie viele der beantragten Aufenthaltserlaubnisse wurden erteilt und wie viele wurden aus welchen Gründen abgelehnt? (Bitte jeweils aufschlüsseln für die Jahre 2015 bis 2017)
  24. Gibt es Maßnahmen, um die finanzielle Abhängigkeit von Opfern des Menschenhandels und der Zwangsprostitution von den Tätern zu verringern?
    1. Wenn Ja, welche sind dies?
    2. Wenn Nein, wieso nicht und welche Maßnahmen könnte sich der Senat vorstellen?
  25. Inwiefern könnten solche Maßnahmen nach Auffassung des Senats zu einer Aufhellung des Dunkelfeldes und zu einer effektiveren Strafverfolgung beitragen?

Birgit Bergmann, Peter Zenner, Lencke Steiner und die Fraktion der FDP